1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Eisschnelllauf: Eisschnelllauf: «Keine Belege für Blutdoping»

Eisschnelllauf Eisschnelllauf: «Keine Belege für Blutdoping»

11.03.2010, 19:49

München/dpa. - «Bei Frau Pechstein wurden Veränderungen des roten Blutbildesgefunden, die nicht zu Doping passen und mit großerWahrscheinlichkeit für eine angeborene Störung im Aufbau der rotenBlutzellen sprechen», erklärte Gerhard Ehninger, der Vorsitzende derDeutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) amDonnerstag in der Online-Ausgabe der «Süddeutschen Zeitung».

Wie seine Professoren-Kollegen Winfried Gassmann aus Siegen undWolfgang Jelkmann aus Lübeck will Ehninger am Montag auf einerPressekonferenz in Berlin den Beweis führen, dass PechsteinsZwei-Jahres-Sperre aus medizinischer Sicht haltlos ist. «DieseFormstörung (Sphärozytose) liegt in einer leichten Form vor und führtzu einem erhöhten Zellumsatz mit kürzerer Überlebenszeit. DieErhöhung der Retikulozyten - der frisch aus dem Knochenmarkausgeschwemmten roten Blutzellen - ist Ausdruck der gesteigertenBlutbildung und nicht durch Doping bedingt», erklärte der Chefarztfür Blut- und Krebserkrankungen an der Technischen UniversitätDresden.

Pechstein war aufgrund ihrer erhöhten Retikulozyten-Werte am 1.Juli 2009 von der ISU rückwirkend für zwei Jahre gesperrt worden, derInternationale Sportgerichtshof CAS hatte im Berufungsverfahren dasUrteil am 25. November 2009 bestätigt. Auch mit ihre Beschwerde vordem Schweizer Bundesgericht war Pechstein gescheitert und hatte damitihre sechsten Olympischen Spiele verpasst.

«Ich hatte immer wieder gesagt, dass Pechsteins erhöhteRetikulozyten für Doping sprechen - wenn sich keine medizinischeErklärung dafür findet», bekannte Ehninger. «Dann muss man jetzt auchden Mut haben und sagen, dass es durchaus medizinische Gründe gibt»,erklärte der Mediziner seinen Meinungsumschwung. Im August 2009hatte Ehninger noch erklärt: «Erst hieß es geheimnisvoll, es seienmedizinische Gründe - das hätte man an einem Tag beim Hämatologenklären können. Jetzt sind es plötzlich die Geräte.»

Der Befund Sphärozytose kommt bei weniger als einem Prozent derBevölkerung vor. «Im Gegensatz zum Doping mit Epo sind die kleinenErythrozyten bei Sphärozytose mit einer normalen Menge desBlutfarbstoffs Hämoglobin beladen, was zu einer erhöhtenKonzentration führt», sagte Ehninger. Der entsprechende Messwert seibei Pechstein erhöht - dies sei für die Sphärozytose typisch, abereben nicht für Doping mit EPO.

Jelkmann, der schon als Gutachter im Fall Pechstein tätig war,folgert nun: «Nach der medizinischen Faktenlage hätte Frau Pechsteinfreigesprochen werden müssen. Aus ihren Messwerten der vergangenenzehn Jahre lässt sich Doping mit Epo oder analog wirkenden Substanzennicht belegen. Im Gegenteil, viele Messwerte widersprechen eindeutigeinem Blutdoping.» Jelkmann listet zudem insgesamt 15 Fehler imCas-Urteil auf.

Auch Ehninger beklagt, dass der CAS «die vorgelegten Gutachtennicht ausreichend gewürdigt, falsch zitiert und in der schriftlichenUrteilsbegründung tendenziell dargestellt» habe und dass «Zweifel amDopingvorwurf durch Fachleute für Bluterkrankungen keineBerücksichtigung» fanden. Der Siegener Hämatologe Winfried Gassmannhat ein 32-seitiges Gutachten erstellt und kommt zu dem Schluss, dass«keine Belege für Blutdoping welcher Art auch immer zu finden» seien.