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Eisschnelllauf Eisschnelllauf: Flucht nach vorn

Von Frank Thomas 30.05.2007, 20:16
Die fünfmalige Olympiasiegern Claudia Pechstein sieht in Deutschland keine Perspektiven mehr und flieht wegen der mangelnden Unterstützung nach Norwegen. (Foto: dpa)
Die fünfmalige Olympiasiegern Claudia Pechstein sieht in Deutschland keine Perspektiven mehr und flieht wegen der mangelnden Unterstützung nach Norwegen. (Foto: dpa) EPA

Berlin/dpa. - Die fünfmalige Olympiasiegern Claudia Pechsteinsieht in Deutschland keine Perspektiven mehr und flieht wegen dermangelnden Unterstützung nach Norwegen. «Es gibt in Deutschland keineAlternativen. Sportdirektor Günter Schumacher hat sich nicht einmalerkundigt, wie ich die Saison plane oder ob ich Unterstützungbrauche», kritisierte die erfolgreichste Winterolympionikin dieDeutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) am Mittwoch auf einerPressekonferenz in der norwegischen Botschaft in Berlin. Bereits amkommenden Montag beginnt ihr neuer Karriere-Abschnitt beim Trainingmit der Eisschnelllauf-Auswahl Norwegens in Oslo.

Für den vielen Jahre erfolgreichsten deutschen Wintersportverbandist der Schritt ein Armutszeugnis. Pechstein ist nach Anni Friesingerdie zweite deutsche Top-Eisschnellläuferin, die wegen der mangelndenUmfeld-Bedingungen im Training ihr Heimatland verlässt. Friesingerhatte sich im Vorjahr entschlossen, bei ihrem neuen Coach GianniRomme in den Niederlanden zu trainieren.

Pechsteins Coach Joachim Franke bestätigte indes in Berlin dasEnde seiner Erfolgs-Laufbahn. «Abschied ist ein scharfes Schwert,aber 55 Jahre im Leistungssport, davon 35 Jahre als Trainer, sindgenug», meinte der mit neun Olympiasiegen und 43 WM-Titelnerfolgreichste Eisschnelllauf-Trainer der Welt. «Claudia ist eineSuperfrau. Ihr Wechsel ist für mich ein großes Ereignis. Ich binüberzeugt, sie wird in Norwegen ein sehr gutes Umfeld vorfinden»,meinte Franke, der aber seine Musterschülerin, die er 16 Jahre langbetreute, auch weiterhin beraten wird. «Deshalb werde ich imkommenden Winter keine großen Fehler machen. Ich gehe mit gemischtenGefühlen, aber auch mit Zuversicht. Ich will bei der EM endlich malwieder eine Medaille gewinnen», sagte Pechstein.

Bereits am Samstag fährt sie mit der Fähre nach Oslo, wo sie amMontag mit der Trainingsgruppe des Amerikaners Peter Mueller, derzwischen 1988 und 1991 deutscher Bundestrainer war, in dieSommervorbereitung startet. Neben den Top-Läufern Eskil Ervik undHavard Bökko gehört zu dieser Gruppe auch Maren Haugli, die einzigeWeltklasse-Läuferin Norwegens. «Ich bin froh, dass ich in der Nähevon Oslo zunächst bei ihr übernachten kann. Der Draht ist sehr gut.»Ein flüchtig unterbreitetes Angebot von Erzrivalin Anni Friesingerbeim WM-Abschluss-Bankett im März hatte sie indes nie ernst genommen.

«In Norwegen ist Claudia Pechstein sehr bekannt und beliebt. Siewird bewundert», berichtete Botschafter Björn Tore Godal. Pechsteinwird aber weiter für Deutschland starten, Kosten für Trainingslagerund Reisen in fünfstelliger Höhe werden großen Teils von der DESGgetragen. «Diesbezüglich sind wir DESG-Präsident Gerd Heinze dankbar,dass er noch einiges möglich gemacht hat», sagte Manager RalfGrengel. «Der Präsident kapituliert aber davor, dass er keinentsprechendes Umfeld bieten kann», fügte er hinzu.

Die alte, bisher privat finanzierte Berliner Trainingsgruppe istschon aufgelöst. «Die Männer waren zuletzt ein bisschen zu langsam»,meinte Pechstein schmunzelnd. «Ich hatte mir daher natürlich erhofft,dass der Sportdirektor bei den letzten erfolgreichen Läuferinnen malnachfragt. Aber das ist leider ausgeblieben. Seit Jahren ist dasimmer dasselbe», fügte sie hinzu.

Schumacher kann diese Kritik nicht verstehen. «Die Sache war vonAnfang an mit uns abgestimmt. Ich habe mit Joachim Franke jedenSchritt beraten und Teamchef Helge Jasch hat den Kontakt zu derAthletin gehalten», meinte der Sportdirektor am Mittwoch verwundert.Für Pechstein scheint mit dem neuen Schritt auch der Traum von einemPrivatteam ausgeträumt. «Das ist einfach eine Frage des Geldes»,begründete sie. Jedoch eröffnet ihr der neue Schritt möglicherweisedas Verlängerung ihre Karriere über das geplante Ende 2008 hinaus.«Vielleicht laufe ich noch ein oder zwei Jahre. Alles ist offen.»