Eintracht Köthen Eintracht Köthen: Steilem Aufstieg folgt der freie Fall
Köthen/MZ. - Wenn man Mitglieder und Fans der Köthener Eintracht fragt, an welchen Tag sie sich besonders gern erinnern, dann wird meist der 20. Mai 2000 genannt. Damals schaffte die Fußball-Truppe - noch als VfL Köthen - mit einem 7:1-Sieg beim Naumburger SV vorfristig den Aufstieg in die Verbandsliga. Der Sekt floss in Strömen, hochfliegende Zukunftspläne wurden geschmiedet.
Keine anderthalb Jahre später bietet der FC Eintracht Köthen ein Bild des Jammers. In der zweiten Verbandsliga-Saison ist die einstige, zusammengekaufte Elite-Mannschaft, die in drei Spielzeiten dreimal in die nächsthöhere Klasse aufstieg, zum Prügelknaben geworden. Nach zwölf Runden sind die Köthener Tabellenletzter - mit großem Abstand zum rettenden Ufer. Einen einzigen Zähler haben sie bislang erobert, bei einem Torverhältnis von 9:62. Letzten Sonnabend kam der Tiefpunkt, als die Eintracht bei Dessau 05 mit 1:12 abgestraft wurde. Das zehnte Tor in diesem Match schoß dabei übrigens mit Jan Arnoldi ein Spieler, der einst selbst entscheidend zum Köthener Höhenflug beigetragen hatte. Zur Erinnerung: Eine Saison zuvor konnte Köthen bei den "Waggonbauern" noch mit 2:0 gewinnen und den 05ern den Oberliga-Aufstieg verpatzen.
Abgezeichnet hat sich der Niedergang schon lange. Schon wenige Wochen nach dem Aufstieg in die Verbandsliga warf Meistertrainer Werner Biskup das Handtuch, der für seinen Wechsel nach Cloppenburg sportliche und konzeptionelle Gründe angab. "Es gibt keine Linie, kein Konzept im Verein", so Biskup gegenüber der MZ. Das nächste Kreuz war die Abnabelung der Fußballer vom VfL und die Wiedergründung des FC Eintracht - eine Maßnahme, "um den Fußball in Köthen zu retten", wie es im Juli 2000 hieß. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: der Trainerposten. Nach Biskups Weggang wurden mit Gerhard Seydel, Günter Ernst und Andreas Tolstych in kurzer Frist drei Übungsleiter verschlissen. Zeitweise wurde die Mannschaft auch vom Spielerduo Arnoldi/Schönitz geführt - meist mit Erfolg, was nicht zuletzt daran lag, dass die Leistungsträger der Mannschaft nach dem Experten Biskup andere Trainer mit weniger Reputation nicht akzeptierten.
Der Super-Gau kam Ende der Saison 2000/2001. Hatten nach dem Aufstieg mit Torwart Gersching, Offensivmotor Rüdiger und Torschützenkönig Randig schon drei wichtige Kräfte ersatzlos den Verein verlassen, setzte nach der ersten Verbandsliga-Saison eine regelrechte Flucht der lange überdurchschnittlich gut bezahlten Kicker ein: Jan Arnoldi, André Schönitz, Thomas Bartosik, Ronny Börsch, Ronny Renger, Simon Nagel, Steffen Seifert, Guido Bartelt, Karsten Pfeiffer, Marco Bergmann und Sven Richter meldeten sich ab. Damit waren aus dem "Team 2000" nur noch Thomas Bruder, Sven Guttchen und Detlef List übrig.
Die Abmeldung aus der Verbandsliga kam für die damalige Vereinsführung nicht in Betracht, da man sonst bis in die Kreisliga abgestürzt wäre. So wurde mit Nachwuchs- und Reserve-Kickern aufgefüllt, die in der fünfthöchsten Spielklasse natürlich überfordert sind. Bände spricht, wenn bei einem Auswärtsspiel zwei Akteure ohne Entschuldigung gar nicht erst mitfahren und das Trainerduo Kai-Uwe Bädelt / Torsten Becker nach dem Debakel bei Dessau 05 mangelhafte Trainingsanwesenheit und -leistung widergespiegelt sieht.
Die Zukunft der Mannschaft ist ungewiss. Zwar muss sich das Team noch nicht aufgeben, immerhin stehen noch 22 Partien aus. Aber es fällt zunehmend schwer, Optimismus aufzubringen. Enttäuscht ist auch Eintracht-Präsident Dieter Baumgarten, der seit Jahrzehnten den Fußball im Kreis Köthen aus dem Effeff kennt. Im Sommer hatte er die Eintracht-Spitze übernommen, jetzt steht er vor einem Scherbenhaufen. "Der neue Vorstand hatte sich vor den Karren gespannt, weil die Spieler, die noch da waren, gesagt haben: Das packen wir. Jetzt sehen wir: Die Spieler lassen uns im Stich." Baumgarten plädiert dafür, das Team aus der Verbandsliga zurückzuziehen und in der Kreisliga neu anzufangen. Sonst müssten zwei Mannschaften aufgebaut werden. Man klemme sich jetzt dahinter, um aus der Truppe ein Team zu formen. Im Sommer, falls die Eintracht absteigt, gebe es wieder einen Aderlass, und in der Landesliga wäre der nächste Neuaufbau programmiert.
Für Vorstandsmitglied Peter Bädelt ist dies ein zweischneidiges Schwert. Gehe man freiwillig in die Kreisliga zurück, bestehe das Risiko, dass der gute Nachwuchs zu anderen Klubs abwandere. "Die Jungs spielen in der Landesliga und sollen auf die Kreisebene wechseln. Wenn dann eine Landesklasse- oder Landesligamannschaft mit einem Angebot kommt, sind sie weg." Trotzdem will Baumgarten im Vorstand über den Rückzug reden: "Bisher ist das nur meine Meinung." Eine nicht unmaßgebliche Rolle für den weiteren Weg dürfte auch dies spielen: Der Wind an der Sponsorenfront ist rauher geworden. Gehälter wie zu Zeiten der Ära Biskup / Arnoldi gehören ins Reich der Phantasie.