Einsturz des Helgoland-Felsens Lange Anna befürchtet
Helgoland/dpa. - Die Wellen nagen bedrohlich an einem der bekanntesten Naturdenkmäler Deutschlands, der Langen Anna auf Helgoland. Bei Stürmen wie dem Orkantief «Resi» bangen die Bewohner von Deutschlands einziger Hochseeinsel, ob ihr weltbekanntes Wahrzeichen hält.
Die 47 Meter hohe Felsnadel aus porösem roten Buntsandstein ist nach Meinung von Wissenschaftlern akut vom Einsturz bedroht, falls nicht millionenteure Schutzmaßnahmen eingeleitet werden. Jüngste Erkenntnisse deuten daraufhin, dass nun das Ende bevorstehen könnte. «Die Situation ist dramatisch», sagt der Professor für Wasserbau an der TU Hamburg-Harburg, Erik Pasche. «Schon eine Sturmflut kann reichen, damit sie zusammenbricht.»
Große Steinabrüche an Deutschlands Küsten haben sich in diesem Winter durch die Witterung gehäuft: An der Steilküste Rügens brachen zuletzt rund 25 000 Kubikmeter Kreide und Gestein ab. Ein regenreicher Sommer und Frost hatten den Stein brüchig gemacht. Ähnliches gilt für die Lange Anna. Bis 1865 war der Stein durch eine Felsbrücke mit dem rund 130 Fußballfelder großen Hauptfelsen verbunden. Durch eine Sturmflut wurde die Felsbrücke abgerissen, seitdem ragt der 25 000 Tonnen schwere Fels wie ein Monolith im Nordwesten der Insel aus der See.
Der Legende nach gab es an dem Aussichtspunkt auf dem Oberland zur Kaiserzeit ein Café mit einer sehr großen weiblichen Bedienung namens Anna. Touristen nannten sie die «lange Anna» - schon hatte auch die Felsnadel ihren Namen weg. Ihr offizieller Name ist eigentlich Nathuurn Stak. Schon 1903 wurde die Lange Anna erstmals vor der Nordsee geschützt. Bis 1927 wurde eine 1300 Meter lange Mauer, der sogenannte Preußenwall gebaut, der weit in das Meer hineinreicht und den Sockel der gesamten Westseite der Insel schützt.
«Das ist ein Naturprodukt und an dem arbeitet die Natur», sagt Helgolands Bürgermeister Frank Botter über das beste Stück der Insel. «Der untere Teil der Langen Anna, ihre Gründung, ist freigelegt wie ein Zahnhals, durch die starken Wellen kommt es zu punktuellen Aushöhlungen», sagt Professor Pasche. Er glaubt im Gegensatz zu anderen Experten und vielen Helgoländern, dass der Felsen durch eine Verbesserung der Standsicherheit noch zu retten ist.
Doch dafür wären mehrere Millionen Euro nötig. «Für eine Million kriegt man das sicher nicht», sagt Botter. Mit einer Verfüllung am Fundament oder einem Schutz durch große Steine ließe sich das Monument sichern. «Aber die Zeit drängt», meint Professor Pasche. Eine Stiftung zur Rettung der Langen Anna hatte bis 2001 umfangreiche Expertisen anfertigen lassen - doch eine Rettung scheiterte an unterschiedlichen Auffassungen der Stiftung und der Inselbewohner. Während die einen an die Rettung glauben, sind die Helgoländer da sehr skeptisch. Sie sind zudem von anderen Problemen gebeutelt - der Tourismus als wichtigste Einnahmequelle schwächelt.
2007 kamen nur noch rund 400 000 Touristen, die Zukunft der Fährverbindungen ist unklar und die Energiekosten sind um 40 Prozent gestiegen. Bürgermeister Botter betont, die Lange Anna könne für die 1600 Bewohner keine Priorität genießen. «Durch sie sind außerdem keine Menschen gefährdet», sagt Botter. Nach einem Gesteinsabsturz 2002 im bewohnten Teil des Oberlandes, bei dem sechs Häuser beschädigt wurden, musste für 7,7 Millionen Euro der Fels gesichert werden, um Gefahr für die Einwohner abzuwenden. Bis 2004 wurde ein Stahlnetz am Fels angebracht.
Die Helgoländer wollen ihre Tourismusattraktion natürlich nicht kampflos aufgeben - sie sehen aber keine Möglichkeit, Geld für die Rettung aufzubringen. «Eine Postkarte von Helgoland ohne Lange Anna ist keine Postkarte von Helgoland», sagt Botter. «Das ist wie ein Mercedes ohne Stern.» Der Bürgermeister hofft, dass die Felsnadel den düsteren Prognosen auch ohne Hilfe weiter trotzen wird. «Schließlich hat sie auch schon die größte nichtnukleare Sprengung der Weltgeschichte überlebt.» Am 18. April 1947 hatten die Briten mit 6700 Tonnen TNT Munitionsbestände und die militärischen Anlagen Helgolands bombardiert, damit die Deutschen die Insel nie wieder als Militärbasis nutzen könnten. Doch im Buntsandstein verpuffte ein großer Teil der Explosion wirkungslos.