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Der Weg in eine neue Welt: Schulempfehlungen stellen Weichen

Von Carina Frey 31.07.2007, 06:56

Hannover/dpa. - Mit zehn Jahren sind die meisten Kinder in der vierten Klasse. Und da entscheidet sich für viele, ob sie auf ein Gymnasium, die Real- oder die Hauptschule gehen.

Die Übergänge zwischen den Schulformen sind faktisch fast nur in eine Richtung möglich: nach unten. Die Lehrer geben für jeden Schüler eine Empfehlung ab, Eltern sollten diese auch mit ihren Kindern besprechen.

Jedes Bundesland regelt den Schulübergang anders. Häufig spielt der Notendurchschnitt in Mathe und Deutsch für die Schulempfehlung eine große Rolle. Daneben ziehen die Lehrer laut Prof. Joachim Tiedemann vom Institut für Pädagogische Psychologie der Universität Hannover meist viele verschiedene Faktoren heran: die Lernentwicklung genauso wie das Arbeits- und Sozialverhalten.

An der Schulempfehlung sind neben dem Klassenlehrer alle weiteren Fachlehrer beteiligt. Sie geht im letzten Drittel der vierten Klasse an die Eltern, sagt Prof. Angelika Speck-Hamdan vom Lehrstuhl für Grundschulpädagogik der Universität München. Die Einschätzung der Lehrer ist eine Empfehlung. Wie verbindlich diese ist, ist in jedem Bundesland anders geregelt. «In Niedersachsen zählt der Elternwille», sagt Prof. Tiedemann - in Nordrhein-Westfalen beispielsweise nicht. Seit diesem Jahr ist die Schulempfehlung dort verbindlich. Wollen Eltern ein Kind auf ein Gymnasium oder eine Realschule schicken, obwohl dieses nicht einmal als bedingt geeignet gilt, muss es zum Probeunterricht, erklärt Stefanie van Ophuysen vom Institut für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund.

Die Schulempfehlung ist wichtig, und das merken auch die Viertklässler. Sie stehen unter großem Druck. «Die Eltern wollen ihr Kind unbedingt über diese Hürde bringen», sagt Prof. Speck-Hamdan. Denn von der Schulempfehlung hängt die weitere Schullaufbahn ab. Schulforscher finden die frühe Trennung der Kinder problematisch. Im Alter von zehn Jahren sei noch keine zuverlässige Prognose ihrer Entwicklung möglich, sagt Prof. Tiedemann. «Viele Kinder, die eine ungünstige Schulempfehlung hatten, entwickeln sich sehr gut.» Hinzu kommt, dass die Schulempfehlung oft falsch ist, wie die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) im Jahr 2004 zeigte. «Das hat sich seitdem nicht geändert», sagt Speck-Hamdan.

Das alles macht die Schulwahl für Eltern nicht leichter. Ist das Kind ständig überfordert und muss es möglicherweise nach Klasse sechs doch in eine niedrigere Schulform wechseln, kann das schwerwiegende Folgen haben. «Eine stetige Überforderung ist kritisch. Das Kind traut sich dann nichts mehr zu», warnt van Ophuysen. «Wird es runtergestuft, spürt es: 'Ich habe es nicht geschafft'.»

Kommt das Kind hingegen in die niedrigere Schulform, ist es möglicherweise unterfordert. «Das ist fast noch schlimmer, weil es schwer zu erkennen ist. Die Kinder flüchten sich oft in unangepasste Verhaltensweisen», sagt Prof. Speck-Hamdan.

Kultusministerkonferenz: www.kmk.org/schul/home.htm?schwerp