Der Grenzlehrpfad zwischen Hessen und Thüringen
Geisa/dpa. - Heute ist es die Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Vor zwei Jahrzehnten stand hier der rund um die Uhr bewachte Grenzzaun, der die beiden deutschen Staaten teilte.
Jugendliche, die nach der Wiedervereinigung geboren wurden, kennen die Geschichte nur vom Hörensagen, bei vielen anderen verblasst die Erinnerung. Helmut Henkel tut etwas dagegen. Der 65-Jährige stammt aus dem nahen Geisa in Thüringen und übernimmt regelmäßig Führungen auf dem Grenzlehrpfad. Organisiert werden sie von der Point-Alpha-Stiftung, die im «Haus auf der Grenze» mit einem Museum an die Geschichte der deutschen Teilung erinnert.
Henkel kennt die in der Rhön gelegene Gegend gut. Zusammen mit Besuchern schlägt er sich auf den Rundgängen durchs Unterholz vorbei an den Zementpfählen, die hier einst den Zaun hielten, dessen rostige Reste hier und dort herunterhängen. Manchmal stehen im Dickicht noch Steine mit der Aufschrift «GSW», die eine viel ältere Grenze als die zwischen der Bundesrepublik und der DDR markierten - jener zwischen dem Großherzogtum Sachsen-Weimar (GSW) und dem Königreich Preußen (KP). Dann steht man plötzlich im halbhohen Gras auf einem Weg - ein Teil der ehemals mehr als 1200 Kilometer langen Kolonnenstraße, auf der die DDR-Grenzer mit ihren Fahrzeugen fuhren.
Der Lehrpfad ist insgesamt 17 Kilometer lang. Er beginnt im Örtchen Wenigentaft und endet am Museum Geisa. Wenigentaft lag so nahe an der Grenze, dass es zum 500-Meter-Schutzstreifen in der Fünf-Kilometer-Sperrzone gezählt wurde. Hier kam nur hinein, wer hier wohnte oder eine besondere Erlaubnis hatte, erzählt Henkel. Wer ohne Führer los will, kann dies tun und wird sich dank der Beschilderung wohl nicht verlaufen. Entlang der Strecke erfahren die Wanderer an «Infopunkten» etwas über die ehemaligen Grenzbefestigungen, aber auch über geschleifte Höfe zum Beispiel.
Ganz in der Nähe von Wenigentaft liegt die Alte Buchenmühle. Das Schicksal ihrer Bewohner ist exemplarisch für zahllose Familien, die das Grenzgebiet schließlich verlassen mussten: Die Jahrhunderte alte Buchenmühle lag direkt auf der Grenze. Ein Teil des Hofes stand auf der thüringischen Seite und wurde 1961 von den Grenztruppen abgerissen. Die Fundamente sind teilweise heute noch zu sehen. Opfer hat die Grenze auch bei denen gefordert, die sie bewacht haben. An der alten Straßensperre der Bundesstraße 84 wurde 1956 der Grenzpolizist Waldemar Estel erschossen. Der Täter sei vermutlich ein Spanier gewesen, sagt Henkel. Die Tat wurde nie aufgeklärt.
Nach Helmut Henkels Erinnerung waren die Grenzer in den Augen der Bevölkerung keine Bösewichter: «Das waren doch einfach nur Jungs, die ihren Wehrdienst abgeleistet haben. Mit denen haben wir Fußball gespielt.» Nur mit den Offizieren habe man nichts zu tun gehabt. Henkel erzählt von seinem Bruder, der auch irgendwann «rübergemacht» hat. Und dass er selbst geblieben sei, damit die Mutter nicht alleine in der DDR zurückbleiben musste. Und er erzählt von seinem ehemals besten Freund, der ihn für die Stasi bespitzelte. «Ich bin ihm nicht mehr böse. Aber ich würde gerne wissen, warum er das getan hat.»
Nur schemenhaft sind im Nebel die hohen Zäune zu erkennen, über die niemand einfach von Ost nach West klettern sollte. Das war damals vor der deutsch-deutschen Wiedervereinigung, als der Versuch eines unerlaubten Grenzübertritts den Flüchtenden das Leben kosten konnte. Heute, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, die größtenteils ein Zaun war, klicken hier die Kameras der Besucher, die sich ein Bild davon machen wollen, wie der Alltag am Eisernen Vorhang ausgesehen hat.
Informationen: Thüringer Tourismus Gmbh, Willy-Brandt-Platz 1, 99084 Erfurt, Telefon: 0361/37 420
Informationen über Thüringen: www.thueringen-tourismus.de
Informationen der Point-Alpha-Stiftung: www.pointalpha.com