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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Wie die Stasi den Bau des Palastes der Republik überwachte

Von Ulrich Paul 20.04.2016, 07:03
Der Palast der Republik war ein Wahrzeichen der DDR.
Der Palast der Republik war ein Wahrzeichen der DDR. imago

Am Ende gab es Lob von höchster Stelle: „Nun, da der Palast der Republik fertiggestellt ist, kann man sagen, dass die Bauschaffenden und alle, die an diesem großen Vorhaben beteiligt waren, ein Werk vollbracht haben, das seinen Schöpfern zur Ehre und den Gästen zur Freude gereicht.“ SED-Chef Erich Honecker dankte zur Eröffnung des Palastes der Republik vor 40 Jahren  allen, die am Bau mitgewirkt hatten. Auf der Baustelle war zuvor jedoch nicht alles reibungslos abgelaufen. Das beweisen Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die der Berliner Zeitung vorliegen.

„Diebstähle von Armaturen“, „Bedrohen und Anpöbeln der Sicherungskräfte“, „Alkoholgenuss während der Arbeitszeit“ und „unerlaubtes Entfernen von der Baustelle“ wurden in einer  Information  vom Januar 1974 beklagt, die Bauminister Wolfgang Junker zugestellt bekam.  Da liefen die Arbeiten noch kein halbes Jahr.

Eigentlich sollten alle Bezirke der DDR „leistungsstarke Brigaden“ für den  Palastbau  nach Berlin schicken. Doch nicht immer entsandten sie ihre besten Leute. Den Beschäftigten sei offenbar nicht klar gemacht worden, „dass ihr Einsatz beim Bau des Palastes der Republik eine Auszeichnung ist“, heißt es dazu in dem Papier an den Minister.

Die Stasi behielt die Prestigebaustelle  ständig im Blick. Schließlich war das Projekt von „erstrangiger politischer Bedeutung für die DDR und ihre Hauptstadt Berlin“, wie es ein Operativplan des MfS formuliert. Der Palast erhielt einen  Saal mit 5000 Plätzen – gedacht für die Parteitage der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie für Festveranstaltungen und Konzerte. Hinzu kam ein Saal mit 800 Plätzen für Tagungen der DDR-Volkskammer. Fürs Publikum gab es Restaurants sowie eine Bowlingbahn. Der Zeitplan drängte: Bis 1976 sollte alles stehen.

Die Stasi bereitete den Baustellenschutz beizeiten vor: Im Juni 1973 gründete sich die Arbeitsgruppe Metropole. „Alle operativen Pläne, Meldungen und Berichte sind unter diesem Kennwort abzufassen“, ordnete ein Maßnahmeplan an. Ein Stasi-Hauptmann rückte als Sicherheitsbeauftragter in den Aufbaustab.  Die Bewachung der Baustelle übernahm das Wachregiment Feliks Dzierzynski des MfS. 

Furcht vor West-Sabotage

Der Stasi oblag es, das Vorhaben vor „gegnerischen Störmaßnahmen und feindlichen Angriffen“ zu schützen sowie  „Ordnung und Sicherheit während des Bauablaufs“ zu gewährleisten. Das geht aus den Unterlagen hervor. Es herrschte Kalter Krieg; trotz deutsch-deutscher Annäherung galt das Prestigeprojekt Palast der Republik als mögliches Ziel westlicher Sabotage.

Für den Bauablauf  spielte der schwierige Untergrund eine besondere Rolle. Da die Kellergeschosse des Palastes zirka sechs Meter tief ins Grundwasser reichten, musste das Wasser   mit Hilfe von Pumpen  abgesenkt werden, solange der Baukörper noch nicht schwer genug auf dem Boden lastete. Anderenfalls  bestand  die Gefahr, dass die Untergeschosse durch die Kraft des Grundwassers nach oben gedrückt würden.  Die Aufbauleitung des Palastes warnte deswegen, durch gezielte Störaktionen  oder längere Havarien an den Pumpen könne „der Katastrophenfall eintreten“ – also die Zerstörung des jungen Gebäudes.  Soweit kam es nicht: Die Pumpen liefen, und die Bodenplatte des Palastes ruhte sicher im  Erdreich.

Auch die Sorge um die im Palast  auszustellende Kunst trieb die Genossen von der Staatssicherheit frühzeitig um. Inoffizielle Mitarbeiter kamen zum Einsatz, um  „Störfaktoren oder Hinweise auf negativ-feindliche Aussagen in den Kunstwerken“ vorbeugend aufzuspüren und gegebenenfalls zu  verhindern, wie ein Maßnahmeplan zur Aktion Metropole anweist.

Spezielle Aufmerksamkeit verlangten die  unter DDR-Verhältnissen besonders heiklen Importe aus dem westlichen Ausland – und  das entsprechende Personal von dort. Selbstverständlich kümmerte sich das MfS auch darum. Eine Firma aus Wien lieferte die Klimaanlage, aus Manchester kam Technik und Material für den Spritzasbest, vorgesehen als Brandschutz für die Stahlkonstruktion. Ihre Arbeit erledigten die West-Mitarbeiter  aus Sicht der Stasi ordentlich. „Die Maßnahmen zum Schutz der Stahlkonstruktion verliefen positiv“, heißt es jedenfalls im Abschlussbericht des MfS vom 7. Mai 1976.

Westdeutsche Firmen waren ebenfalls involviert. Orenstein & Koppel lieferte 16 Rolltreppen, Bosch  die Fernsehanlage. Die Monteure der ausländischen Firmen standen  auch in ihrer Freizeit unter Beobachtung.  So geriet einmal ein Österreicher in den Verdacht, einem Inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi eine Pistole verkaufen zu wollen, doch ließ sich die Information  nicht bestätigen. Laut Stasi kam es seitens der westdeutschen Monteure nicht zu  „nennenswerten Kontaktversuchen mit negativem Charakter“.

Allerdings war von  Kontakten „zu weiblichen Personen, verbunden mit illegaler Übernachtung und intimen Beziehungen“, zu berichten. 42 inoffizielle Quellen horchten und guckten für die Stasi auf der Baustelle, davon 25 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) und 17 Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit (GMS).

Arbeiter mit negativen Merkmalen

Man betrieb einen immensen Aufwand zur Sicherung der Baustelle. 22 000 Beschäftigte waren an der Ausführung beteiligt. Rund 12.000 von ihnen waren über längere Zeit auf der Baustelle tätig und durchliefen deswegen eine Sicherheitsprüfung. Nur wer diese bestand, bekam einen speziellen Baustellenausweis.

September bis Dezember 1950: Die Schlossruine wird gesprengt und weitgehend  abgetragen.
20. April 1961: Stadtverordnetenversammlung beschließt städtebauliche Planungsgrundlage für Spreeinsel.
11. April 1973:  DDR-Ministerrat beschließt Bau des Palastes der Republik
Sommer 1973: Erste Leitungsumverlegungen auf dem Marx-Engels-Platz, Tiefbauarbeiten beginnen.
2. November 1973: Grundsteinlegung
18. November 1974: Richtfest
31. Dezember 1975: Abschluss der Bau- und Ausrüstungsarbeiten
23. April 1976: Mit einem Fest der Erbauer sowie ihrer Ehepartner wird der Palast eröffnet.
23. August 1990: Die  erste frei gewählte Volkskammer beschließt im Palast den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.
19. September 1990: Der Palast wird wegen Asbestbelastung geschlossen.
1998 bis 2003: Asbestbeseitigung
2006 bis 2009: Abriss des Gebäudes

Die Kritik an der Qualität des Personals, die erstmals  kurz nach Baubeginn  geäußert worden war, findet sich  im Abschlussbericht der Stasi  wieder:  Die Sicherheitschecks hätten insgesamt 500 Bauleute ermittelt, die wegen „negativer Merkmale“ bereits registriert waren. Dazu gehörten Delikte wie Spionage, Sabotage, Staatsverleumdung und  versuchter Grenzdurchbruch. 120 von ihnen  seien deshalb in ihre Heimat-Bezirke zurückgeschickt worden.

Ärger spricht aus dem  Abschlussbericht der Stasi. Von einer „hohen Zahl festgestellter negativer Personenkategorien“ ist die Rede. Darüber hinaus seien „Einzelpersonen ohne ausreichende Gewerkskenntnis“, ein „geringer Anteil an Mitgliedern der SED“ sowie „fachlich unerfahrene und ungefestigte Jungfacharbeiter“ auf die Baustelle geschickt worden, darunter Arbeitskräfte, die in ihren Heimatbetrieben „wegen Arbeitsbummelei“ und anderer Verfehlungen bekannt seien. Sechs Brigaden mit 85 Arbeitskräften wurden zurückgeschickt.

Trotz der Probleme gelang  es, den  Palast rechtzeitig fertigzustellen. Nach nur 32 Monaten Bauzeit wurde er am 23. April 1976 feierlich eröffnet. Die Bauarbeiter zahlten dafür einen hohen Preis: Es ereignen sich zwölf schwere Arbeitsunfälle, davon drei mit tödlichem Ausgang.