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Das Wunder von Berlin

17.11.2008, 23:15

Hamburg/dpa. - Er sei kein Systemgegner gewesen, berichtet Tilo Koch über sich, vielmehr ein «jugendlicher Weltverbesserer», etwas romantisch, etwas infantil. 1986 gründete er in Ostberlin die Punkband «Roter Terror», deren erster Auftritt auch gleich der letzte war, gewaltsam aufgelöst von der Volkspolizei.

Koch ging, von seinem Vater gezwungen, zur Armee. Seine Freundin Susi war entsetzt. In der Wendezeit musste er den Checkpoint Charlie bewachen. Seine Freundin lief an ihm vorbei und kaufte ihm die neue LP seiner Lieblingsband Nick Cave & The Bad - sie sind immer noch zusammen, glücklich verheiratet, wie Koch sagt, und haben zwei Kinder.

Eine ganz normale Geschichte aus der DDR - ungewöhnlich genug jedoch, um sie als 105 Minuten langen Fernsehfilm aufzubereiten. «Das Wunder von Berlin» nennt das ZDF sein Drama (20.15 Uhr bei 3sat) dem Kochs persönlicher Lebensbericht zugrunde lag. Das Schicksal des einzelnen soll die Zuschauer einen Abend lang durch die Ereignisse der Wende vor mehr als 18 Jahren begleiten. Kochs Geschichte wurde von Drehbuchautor Thomas Kirchner fürs TV umgeschrieben. Der Historiker Rainer Eckert, der aus der DDR stammt, überwachte die Korrektheit der Umsetzung und musste einige Male eingreifen. In welcher Form, darüber möchte er nicht reden.

Ost und West trafen in der Produktion aufeinander. Die Schlüsselrollen sind allerdings durch «Wessis» besetzt. Kostja Ullmann (23), der mit dem Rollennamen Marco Kaiser Kochs Part übernimmt, stammt aus Hamburg. Fernsehvater Heino Ferch kommt aus Bremerhaven, Fernsehmutter Veronica Ferres aus Solingen. «Kein Problem», sagt Ferres (42). Sie habe ja bereits im ARD-Film «Die Frau vom Checkpoint Charlie» die Hauptrolle gespielt. Jede Rolle müsse man kennen. «Man muss auch keinen umbringen, um einen Mörder spielen zu können.» Ferch hatte indes in seiner Kindheit Kontakt zur DDR, weil viele Verwandte dort wohnten. Er habe durch sie gelernt, was es bedeute, von der Stasi beobachtet zu werden.

Der Film, in dem Ferch und Ferres das erste Mal überhaupt zusammen agierten, kostete das ZDF vier Millionen Euro, deutlich mehr als jedes andere Drama. Beteiligt hat sich an dem Projekt die ZDF-Tochter Enterprises, der jährlich rund 20 Millionen Euro Budget zur Verfügung stehen, um in ZDF-Programme zu investieren. Enterprises hofft, durch Auslandsverkäufe die Investitionen zurückzuerlangen - auch wenn in einem deutschen Wendedrama sich nur wenige Ausländer zurechtfinden dürften. Wer kannte schon den Unterschied zwischen «Aktueller Kamera» und «heute» - oder wer versteht die Witze eines Michael Gwisdek (spielt den Großvater), der den Absturz eines Flugzeuges über der schottischen Ortschaft Lockerbie so kommentierte: «Dit hat schon wat Jutet, dass wir nich reisen dürfen.»

Marco jedenfalls entrinnt nach dem Auffliegen seiner Punkband dem Zuchthaus in Bautzen, weil sein Vater, ein hoher Stasi-Beamter, eingreift und ihn zur Armee schickt. Dort besinnt sich Marco auf sein Vaterland, eckt mit seinen alten Freunden und seiner Freundin Anja (Karoline Herfurth) an. Seine Mutter schließt sich der Oppositionsbewegung an, der Vater hält dagegen. Die Familie zerbricht. Dann überschlagen sich die Ereignisse im Herbst 1989. Die bekannten Dokumentaraufnahmen vom Fall der Mauer füllen den Film, die Handlung gerät ins Stocken und hätte durchaus nach 90 Minuten beendet werden können.