Das Lächeln konservierter Wesen
Halle/AHA. - Doppelköpfige Wesen, mehrfingrige Gebilde,kopflose Individuen, eingezwängt undzusammengekrümmt in Gläsern. Die Flüssigkeit,in der diese Missgestalten zu schlafenscheinen, leuchtet gelb, grün oder orange.Ihr Domizil fanden sie in den MeckelschenSammlungen der Universität Halle, eineder umfangreichsten anatomischen SammlungenEuropas.
Auf Maria Volokhova wirkte diese Vielzahlvon Präparaten sehr eigentümlich. Die „salatgrüne“Flüssigkeit in den Glasbehälternhat sie „geblendet“. Ihre ständigen Besuchein der Sammlung hat die 24-jährige, inKiew geborene Burg-Studentin der Malereiin ihrem Diplom „Labyrinthe“ zusammengefasst.Für sie schienen die konserviertenWesen „zu leben, zu lächeln und zu tanzen“.Siamesische Zwillinge wurden zu „Kämpfern“in der Arena. Doppelköpfige Wesen verglichsie mit „Verliebten, die sich küssen“.
Missgebildete Föten und kranke Kinder gebendie Vorlage für puppenartig modelliertePorzellanfiguren, die an nackte Putten undEngelchen erinnern. Diese „Pagen“ laden,als stumme Diener mit Köstlichkeiten gefüllt,zu einer üppigen Mahlzeit ein. Enteund Kaviar, Kirschen und Konfekt bietensie in ihrem Inneren. Man muss zugreifen,symbolisch gemeint. Das große Fressen fi ndetnicht statt. Maria Volokhova will wenigerden Appetit verderben, als vielmehr durchdie kindlichen Gaben den Betrachter nachdenklichstimmen.
Entstanden sind ebenfalls Sammlungen vonSkizzen und Zeichnungen in der Technik derRadierung, die das Innere des Menschen,die Blutgefäße, Adern und Organe stilisiertnach Außen stülpen. Diese labyrinthischenVerzweigungen werden zur Metapher fürden Lebensweg des Menschen. Dem Widerspruchzwischen dem schönen äußerenSchein und der abstoßenden, inneren Realitätgilt Marias Interesse.
„Ich habe kein Verlangen, meine Arbeit zuerklären“, sagt die Diplomandin. Ob das Unglückvon Tschernobyl in ihrem HeimatlandUkraine eventuell ein Einfluss auf ihre Arbeitsein könnte, bleibt ihr Geheimnis.
MECKELSCHE SAMMLUNGEN
Medizinische Fakultät, Institut für Anatomieund Zellbiologie, Große Steinstraße 52www1.medizin.uni-halle.de/iaz/meckelDie Meckelschen Sammlungen sind keinöffentliches Museum. Besichtigung derSammlungen sind nur innnerhalb einerGruppenführung mit Voranmeldung möglich.