Copacabana Copacabana: Samba-Nächte in Rio
Halle/MZ. - Gelassen verfolgen sie die Ankömmlinge in den Autos. Als das Taxi vor einem rosa und grün gestrichenen Betonblock hält, steckt das Geld in der Socke. Sicher ist sicher. Ein Security-Mann begleitet die Insassen in die Samba-Schule. Doch was heißt hier Schule? 1 000 Menschen tanzen, toben, singen und klatschen im hellen Neonlicht der Halle. Es ist Samstagnacht, 23 Uhr. Samba-Zeit im Armenquartier.
Die 1928 gegründete und älteste der 16 wichtigsten Sambaschulen in den Slums von Rio ist der Stolz der Bewohner. Alle fiebern dem 21. und 22. Februar entgegen, der Parade im Sambodromo. Und natürlich sind alle überzeugt, dass die Escolas de Samba Mangueira vor den Augen der Jury in der 1. Bundesliga des Karneval Brasil bestehen wird. Erste Schritte zur farbstrotzenden Karnevalsshow machen die Sambistas Jahr für Jahr ab Oktober. In den Nächten von Samstag auf Sonntag werden aus öffentlichen Proben wilde Tanz- und Trommelorgien.
Die Puxadores, wie die Vorsänger heißen, und ihre Bateria (Rhythmusgruppen), allen voran aber die Tänzerinnen geben sich mit Leib und Seele dem Massenspektakel hin. Derweil probt die feiernde Menge lautstark Text, Takt und Melodie des Samba-Enredo. Das speziell für Mangueira komponierte Lied gibt die vokale und instrumentale Marschroute vor. In der langen Nacht hundertfach getrommelt und gesungen haben sogar die Jecken aus Berlin und Bosten den Tanzmarsch intus.
Auf einer Empore malträtieren die Musiker ihr Arbeitsgerät bis zur Materialerschöpfung. Der ohrenbetäubende Sound wirkt wie Adrenalin auf die Tanzenden auf dem Parkett. "Bumbum", lacht Paula. Bumbum? Gemeint sind nicht die Orchesterpauken. Bumbum bedeutet: Popo. Und der sei der wichtigste Körperteil beim brasilianischen Karneval, versichert Paula. Um ein tanzendes Trio hat sich ein dichter Kreis von Fans gebildet. "Uma samba boa", feuern sie die Tänzerinnen an. Die Pobacken wackeln, der Busen vibriert, die Arme schnellen in die Luft, während wirbelnde Schrittvarianten dem Stakkato der Schlagzeuge folgen. Eine Samba-Schule sucht ihre Superstars.
Auf der Empore peitscht jetzt die "Queen of Bateria" (Solotänzerin), angefeuert vom Beat der Schlaginstrumente, die wogende Masse über die Tanzfläche. Plötzlich stiebt die Menge auseinander: Platz gemacht für die Königin der Nacht! Die Fahnenträgerin hat ihren umjubelten, temperamentvollen Auftritt. Nur ein Pärchen am Rande des Geschehens ist sich eng umschlungen selber genug. Seit einer Stunde schaut es flüsternd und küssend dem fröhlichen Treiben zu. Rio hat auch seine leisen Töne.