1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Christian Gille: Christian Gille: Goldmedaille für den toten Freund

Christian Gille Christian Gille: Goldmedaille für den toten Freund

27.08.2004, 20:16

Schinias/MZ. - Jeder konnte sehen, warum Christian Gille so aufgewühlt war, er trug im Finale einen Trauerflor am rechten Oberarm. Im April war sein früherer Boots-Partner und Freund Thomas Zereske aus Neubrandenburg, mit ihm wurde er vor vier Jahren in Sydney Olympia-Fünfter, innerhalb von kürzester Zeit an Leukämie verstorben. "Ich wollte meine Anteilnahme zeigen, deshalb der Flor. Ich bin für Thomas gefahren", erzählte Christian Gille tief berührt. "Für mich ist vieles anders geworden." Die Freude über den Olympiasieg, den er am fünften Geburtstag seiner Tochter Svenja erkämpfte, brach sich erst nach und nach Bahn.

Groß aber stellte sich der 28-Jährige den Jubel bei seiner Lebensgefährtin Katja und zu Hause in Jeßnitz im Landkreis Bitterfeld bei seinen Eltern und Großeltern vor. Und er dachte an Thomas Konitzko, der ab 1987 in Jeßnitz sein erster Kanu-Übungsleiter war. "Ihm verdanke ich viel. Es ist schön, dass die kleine Stadt nun einen Olympiasieger hat. Ich werde bald zu Hause vorbei schauen", meinte Christian Gille. 1989 hatte er das Elternhaus verlassen und in Leipzig, wo er noch jetzt wohnt, die Kinder- und Jugendsportschule besucht.

Den gebürtigen Polen und in dem Ort Walaz aufgewachsenen Tomasz Wylenzek hielt es nach dem Finish nicht mehr im Boot. Er sprang übermütig in den Kanal. In der Stunde des Erfolges holte auch ihn die Erinnerung an Schicksalsschläge ein. Als er zwei Jahre war, nahm sich sein Vater das Leben. Die Mutter wanderte nach Deutschland aus und ließ ihn mit seiner Schwester allein in Polen zurück. Er hat ihr vergeben. Vor vier Jahren zog er, damals 17-jährig, zu seiner Familie nach Essen.

Christian Gille hält große Stücke auf Tomasz: "Er ist eines der größten Canadier-Talente." Dennoch zeigte es sich in dieser Saison, dass zwei exzellente Fahrer nicht automatisch eine Klasse-Mannschaft sein müssen. Vor acht Wochen tauschten beide, weil das Boot sich zu unruhig verhielt, die Sitzposition. Gille kniet jetzt vorn auf Schlag. "Das hat Wunder bewirkt", meinte Trainer Kay Vesely. "Das Boot schaukelt nicht mehr, gleitet ganz ruhig durch das Wasser."