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Christel Guillaume Christel Guillaume: Kein Westgeld fürs Spitzeln

Von Günter Werz 02.02.2001, 16:14

Berlin/MZ. - Still ist es um sie geworden, sehr still. Ihre Wohnung in der Eisenzahnstraße, einer Nebenstraße des Kurfürstendamms, darf sie nicht mehr verlassen. Die Ärzte haben es ihr verboten. "Zweimal bin ich gestürzt", erzählt sie, "ich habe schwere Osteoporose und lebe nur noch von Schmerz-Medikamenten." Doch nun steht die alte Frau noch einmal im Brennpunkt des Medieninteresses. Christel Boom, 74, war die erste Ehefrau des 1995 verstorbenen "Kanzleramts-Spions" Günter Guillaume. Der persönliche Referent von Willy Brandt spitzelte für die Stasi - bis er 1974 enttarnt und mit seiner Frau Christel verhaftet wurde.

Das Aktenzeichen L 1 RA 28/99 beim Landessozialgericht Berlin signalisiert ihr letztes Gefecht: Die hochdekorierte "Heldin an der unsichtbaren Front", wie Mielkes Liebling aus frühen Jahren voller Stolz genannt wurde, kämpft diesmal an der Rentenfront. Christel Boom hat die Bundesregierung verklagt. Sie will für die sieben Jahre Haft im Gefängnis Köln-Ossendorf nach ihrer Enttarnung eine Anerkennung als Rentenzeit durchsetzen.

Es ist ein skurriles letztes Gefecht der einst so erfolgreichen Agentin - gleichzeitig ein Novum in der bundesdeutschen Rentenrechtsprechung. Frau Guillaume, so argumentierte gestern ihr Anwalt Benno Bleiberg im Saal 113 des Berliner Landessozialgerichts, sei "in der Haftzeit vom 24. April 1974 bis zum 18. März 1981 weiterhin hauptberuflich für das Ministerium für Staatssicherheit" tätig gewesen. Sie sei vom MfS dafür entlohnt wurden, und selbstverständlich seien für sie von der Stasi auch Beiträge zur Alterssicherung abgeführt worden.

Für die Haftjahre, in denen sie intensiv "Erkenntnisse über die Tätigkeit der Abwehr, Untersuchungs- und -Justizorgane im Operationsgebiet" gesammelt habe, habe sie vom MfS eine "Haftzulage" nach der "Versorgungsordnung des Ministeriums für Staatssicherheit" erhalten - und damit heute Anspruch auf eine höhere Rente. "Rund 150 bis 200 Mark würde meine Mandantin mehr bekommen, wenn diese sieben Jahre Haft bei der Rentenberechnung anerkannt würden", schildert Anwalt Bleiberg die Situation.

Für die fünf Richter war die Sache nach nur wenigen Minuten Beratung klar: Keine Rentenerhöhung für Christel Boom. Die Haftzeit könne nicht berücksichtigt werden. "In einem Gefängnis kann man ohne Zustimmung des Anstaltsleiters nicht in einem Angestelltenverhältnis stehen", begründete der Vorsitzende Richter die Ablehnung. Für einen Rentenanspruch hätte eine nicht selbstständige Tätigkeit vorliegen müssen, bei der der Arbeitgeber jederzeit Weisungen erteilen kann. Das sei der Stasi aber nur beschränkt möglich gewesen. Deshalb: Abweisung der Klage, keine Revisionsmöglichkeit beim Bundessozialgericht.

Währenddessen sitzt die frühere Top-Spionin schmerzgeplagt zu Hause. Als Christel Boom durch die MZ von dem Gerichtsentscheid erfährt, zeigt sie sich nicht überrascht: "Ich hatte es so erwartet. Aber man kämpft um jeden Pfennig." Wie hoch ihre Rente ist? "Ich mache kein Geheimnis daraus: 1700 Mark." Und dann erzählt sie unaufgefordert, wie es damals war in Köln-Ossendorf. "Ich bekam 1,78 Mark am Tag in der Nähstube. Wenn man sich anstrengte, kam man auf 70 Mark im Monat." Ansonsten will sie nicht mehr über ihre Vergangenheit reden. "Es ist alles gesagt." Ihre Bilanz? "Ich habe ein Leben gelebt, aus dem man viele machen könnte."