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Caroline Link Caroline Link: «Die Arbeit beim Film hat mir sehr gefehlt»

Von Cordula Dieckmann 07.11.2008, 09:51
Die Regisseurin Caroline Link (l.) und die Schauspielerin Karoline Herfurth bei der Premiere ihres Films "Im Winter ein Jahr" in München. (FOTO: DPA)
Die Regisseurin Caroline Link (l.) und die Schauspielerin Karoline Herfurth bei der Premiere ihres Films "Im Winter ein Jahr" in München. (FOTO: DPA) dpa

München/dpa. - Nach ihrem Oscar-gekrönten Film «Nirgendwo in Afrika» kehrt die Regisseurin Caroline Link nun mit einem neuen Film ins Kino zurück. «Im Winter ein Jahr» ist ein unaufdringliches, aberdennoch hoch emotionales Drama über eine Familie, die nach demSelbstmord des Sohnes in Sprachlosigkeit erstarrt ist. Am Donnerstag startet der Streifen im Kino - der erste Film der Regisseurin nach einer rund fünf Jahre langen Arbeitspause, in der unter anderem ihre Tochter Pauline zur Welt kam. Die Arbeit beim Film habe ihr in dieser Zeit sehr gefehlt, sagte Link im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Sie wollten den Film ja zuerst in den USA drehen, sind dann aberunter anderem wegen der komplizierten, langwierigen Suche nachSchauspielern nach Deutschland gegangen. Haben Sie diese Entscheidung später bedauert?

Link: «Sicher hätten wir es noch eine Weile in Amerika probierenkönnen, aber mir ging langsam die Geduld aus. Es war mir im Endeffekt egal, ob ich den Film hier oder in den USA drehe, wichtig war es mir nur, ihn überhaupt im geplanten Zeitraum auf die Beine zu stellen. Es ist ja auch nicht so, dass es in Deutschland keine tollen Schauspieler gibt. Mit Karoline Herfurth, Sepp Bierbichler oder Corinna Harfouch war die Arbeit ganz außerordentlich. Ich habe keinen Moment lang - weder während des Drehens noch danach - gehadert damit, dass es jetzt nicht Sean Penn und sonst wer geworden geworden ist.»

Wie kam es zu dieser langen Pause zwischen ihrem Oscar-gekrönten Film «Nirgendwo in Afrika» von 2001 und ihrem neuen Streifen?

Link: «Es fragen immer alle, warum hast Du so eine lange Pausegemacht, Du hättest doch dein Kind mit an den Drehort nehmen können. Aber das war für mich überhaupt keine Option. Die Vorstellung, Pauline die ganze Zeit im Hintergrund zu spüren, zu wissen, dass sie meine Aufmerksamkeit will und braucht und sie ihr nicht geben zu können, würde mich zu sehr von der Arbeit ablenken. Ich hätte pausenlos ein schlechtes Gewissen gehabt. Allerdings war meine Arbeitspause nicht nur wegen Pauline so lang. Zwei Projekte, die ich gerne in den USA gedreht hätte sind an den schwierigen Schauspielerverhandlungen gescheitert.»

Das Thema Familie zieht sich durch ihre Streifen wie ein roter Faden. Woran liegt das?

Link: «In allen meinen Filmen spielt die Familie eine große Rolle. Mich haben eine lange Zeit Kindheitsgeschichten sehr interessiert. Das ist jetzt nicht mehr unbedingt so. Seit ich selber ein Kind habe, habe ich nicht mehr das Bedürfnis, mich auch in meinem Beruf ausschließlich mit Kindheitsthemen zu befassen. Dieses Feld wird sozusagen schon zu Hause genug bearbeitet. Vielleicht liegt das auch daran, dass auch ich älter werde und die Welt nicht mehr unbedingt aus der Kinderperspektive beschreiben will. Aber die Familie als Bornvon Freude, Liebe, aber auch von Komplexen und Neurosen, das fand ich schon immer ein interessantes Thema.»

In ihrem aktuellen Film ist die Familie nach dem Selbstmord desSohnes wie erstarrt, sie können nicht mehr miteinander kommunizieren.

Link: «Diese Kommunikationslosigkeit ist auch in allen meinen Filmen ein wiederkehrendes Motiv. Die Menschen in meinen Geschichten sehen sich nicht so wie sie wirklich sind, sprechen nicht genug miteinander. Deswegen habe ich den Film auch meiner Tochter gewidmet, ich hoffe, dass ich nie in so einen Zustand der Nichtkommunikation mit Pauline komme, sondern wirklich immer auch diese inhaltliche Nähe zu ihr behalte.»

Joseph Bierbichler zeigt sich in dem Film ungewohnt einfühlsam,bisweilen sogar zart und fast verletzlich.

Link: «Das ist ein Teil von ihm, den er gut zu verstecken weiß und der für ihn schwerer ist hervorzukramen und zuzulassen, als dieses ganz Extrovertierte, Laute. So sieht er sich lieber, dieses Renitente, dieses sich wehren gegen gesellschaftliche Normen. Und dieses Sanfte aus ihm zu bekommen, ist fast schwieriger, als so eine total nach außen gekehrte Aggression. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir diese Seite von sich in dem Film gezeigt hat. Denn das ist ihm eigentlich schnell unangenehm. Es war für ihn eine große Überwindung.»

Was war für Sie die größte Herausforderung während der Dreharbeiten?

Link: «Es war meine Herausforderung, einen Film zu erzählen, der so wenig echte Geschichte hat und so stark von der Atmosphäre und der Spannung der Figuren zueinander lebt. Auch die Geldgeber haben mich im Vorfeld gefragt, was ist das denn eigentlich für ein Drehbuch, was passiert denn da? Das war tatsächlich ein Drehbuch, das sehr schwer zu lesen war. Die Figuren reden sehr oft über Dinge, um die es gar nicht wirklich geht. Sondern es geht um Blicke, Atmosphäre, Unbenanntes. Man musste schon eine gewisse atmosphärische Fantasie dafür haben und mir das einfach auch ein Stück weit zutrauen. Es war interessant zu sehen, ob wir in dem Film zwei Stunden eine Spannung halten können, die allein auf dem Miteinander dieser tollen Schauspieler beruht.»

Was hat der Film für Sie bedeutet, nachdem sie so lange pausierthaben?

Link: «Ich habe bei den Dreharbeiten nach einer so langen Pausegemerkt, wie sehr mir das alles gefehlt hat - mich auszudrücken und auszutauschen über den Film, über die Szenen und alles, was damit zu tun hat. Man redet über das Drehbuch, aber man redet auch über sich selbst und das eigene Leben. Man redet mit anderen Menschen intensiv über Lebensabschnitte oder Empfindungen. Ich habe mich am Drehort wieder sehr vital gefühlt. Ich liebe meine Tochter wirklich über alles, aber es war schon so, dass mir was gefehlt hat in den fünf Jahren ohne Drehen. Das empfinde ich als etwas sehr Privilegiertes, wenn man sich in seinem Job so persönlich zeigen und verwirklichen,sich ausdrücken kann. Und wenn man einen eigenen Film macht und die Freiheiten hat, die ich hier in Deutschland habe, ist das natürlich ein Geschenk. So frei hätte ich in Amerika nie arbeiten können.»

Würden Sie trotzdem gerne mal einen Film in den USA drehen?

Link: «Ich kann mir schon vorstellen, da mal einen Film zu machen, aber ich muss es nicht unbedingt. Ich würde es gerne malausprobieren. Aber ich winde mich da so ein bisschen. Ich will nicht wirklich weg von meiner Familie, es sei denn, alle Faktoren stimmen: Die Besetzung, das Drehbuch, die Geschichte, dass ich auf dieser Geschichte sitze und sie mir zu eigen machen kann. Den Film "Im Winter ein Jahr" hätte ich mir in den USA vorstellen können, denn der Stoff lag mir am Herzen und ich hatte auch einen sehr tollen Produzenten, der sehr konstruktiv mit mir an dem Drehbuch gearbeitet hat.»

Woran ist es dann gescheitert?

Link: «Das Gedöns mit den Schauspielern, bis die dann wirklich das Drehbuch lesen, bis die Manager und Agenten zustimmen, das ist mir wahnsinnig auf die Nerven gegangen. Da reden so viele Leute mit, das kann ich nicht gut ertragen. Hier in Deutschland habe ich die Möglichkeit, die Schauspieler direkt anzurufen und zu fragen, wie fandest Du das Drehbuch, Deine Figur? Interessiert Dich das? In den USA ist das ab einer gewissen Größenordnung undenkbar. Fünf Leute stehen immer dazwischen und reden mit. Das dauert mir alles zu lange. Wenn ich kein kleines Baby gehabt hätte, wäre ich vielleicht mal für ein halbes Jahr nach Amerika gegangen und hätte mir das angeschaut, hätte viele Leute getroffen und hätte vielleicht auch einen Film da gemacht. Aber wenn ich ein kleines Mädchen zu Hause habe und mirdenke, jede Woche, die ich weg bin, ist was besonderes, eineverlorene kostbare Zeit, dann überlegt man sich das, da bleibt man nicht einfach mal sechs Monate weg.»

Könnten Sie sich auch vorstellen, mal einen Fernsehfilm zu machen?

Link: «Doch, das kann ich mir auch vorstellen. Es gibt ja großartige Fernsehfilme, die besser sind als vieles, was im Kino läuft. Aber solange ich die Möglichkeiten habe, mit ein bisschen mehr Budget und mehr Zeit meine Geschichten zu erzählen, sehe ich keine Notwendigkeit. Ich arbeite lieber fürs Kino. Das hat ja vor allem auch was mit der Drehzeit zu tun. Ob man 90 Minuten in 22 Drehtagen erzählen muss oder wie wir in 46, ist natürlich ein großer Unterschied.»

Sind Sie denn mit der Situation für Filmemacher in Deutschlandzufrieden?

Link: «Dadurch, dass ich Geschichten erzähle, die nicht sehraufwendig und nicht besonders teuer sind, gibt es für mich keinen Grund zu klagen. Wenn man Geschichten machen möchte, die größere Budgets brauchen, kommt man in Deutschland schnell an die finanziellen Grenzen. Aber ich brauche keinen großen Apparat, kammerspielartige Geschichten wie "Im Winter ein Jahr" kann ich wunderbar von hier aus drehen. Und Gott sei Dank habe ich Partner, die mir viel kreativen Freiraum gewähren.»