Bundesliga Bundesliga: Verrückt und emotional
FRANKFURT/MAIN/MZ. - Natürlich musste jetzt nach genau zwei Spieltagen auch der unvermeidliche Peter Neururer seinen Senf zu diesem verrückten und verdrehten Saisonauftakt im Oberhaus hinzugeben. Der momentan beschäftigungslose Schnellredner schließt also messerscharf: "Die Bundesliga ist, wie ich schon vor Jahren sagte, die stärkste Liga der Welt." Weil sie eben ausgeglichen sei, weil eben ein Aufsteiger - Kaiserslautern - den deutschen Meister - FC Bayern - schlagen und der Vizemeister - Schalke - gegen einen Fastabsteiger - Hannover - sang- und klanglos verlieren könne. "Das macht die Qualität unserer Liga aus."
Nun ist es in der Tat so, dass die ersten beiden Spieltage der Beletage die kuriosesten und spektakulärsten Runden seit einer halben Ewigkeit waren. Hier ein paar Fakten: 67 Tore sind in den ersten 18 Partien gefallen - so viele wie seit 24 Jahren nicht mehr. Zudem gab es bisher nur ein einziges Unentschieden: Mönchengladbach gegen Nürnberg am ersten Spieltag. Die zweite Runde am Wochenende brachte gleich sieben Auswärtssiege. Das gab es in der Geschichte der Bundesliga überhaupt noch nie. Die 23 Treffer der Gästeteams wurde nur einmal getoppt: 1984. Und ein 4:3 nach 0:3, wie es die kleinen Mainzer gegen die vom Auto-Weltkonzern unterstützten Wolfsburger schafften, erlebten die Zuschauer zuletzt vor 19 Jahren in Düsseldorf, damals siegte der VfL Bochum ebenfalls mit 4:3 nach 0:3.
Die Bundesliga schreibt Geschichten und Geschichte. Und dann ist da ja noch die Tabelle, da stehen fünf Teams unter den ersten Sieben, die die Spitze normalerweise nur mit dem Fernglas aus der Tiefebene bewundern können: Kaiserslautern, Mainz, Hannover, Mönchengladbach, St. Pauli.
Die Liga steht Kopf. Aber warum? Und: Wie lange noch?
Natürlich ist die jetzige Konstellation nur die berühmte Momentaufnahme, in ein paar Wochen wird sich vieles relativiert haben, da werden sich die Kleinen zu den Kleinen und die Großen zu den Großen gesellen. Und Wildwest-Fußball wird es auch nicht immer geben. Und doch gibt es ein paar Erklärungen für den Saisonstart.
Da sind, natürlich, die Folgen der WM. Die Teams mit vielen Nationalspielern, allen voran die Bayern, kommen noch nicht auf Touren, das ist nach den Strapazen des Weltturniers und dem verlängerten Urlaub nachvollziehbar und normal. "Wir werden erst im Oktober, November eine fitte Bayern-Mannschaft sehen", sagt der Münchner Trainer Louis van Gaal. Bis dahin gilt es sich durchzulavieren. Überdies ist es kein Geheimnis, dass es schon immer so war, dass die Top-Klubs gerade zu Beginn einer Saison am verwundbarsten sind. Und es ist ja auch so, dass gerade die Aufsteiger zumeist auf einer hohen Welle der Begeisterung reiten, die erst im Laufe der Zeit abebbt.
Was sich aber schon feststellen lässt: Es wächst eine neue Generation an Fußballern heran, solche, die respektlos und waghalsig aufspielen, ohne Fesseln und doppelten Boden zaubern. Die Liste der neu ins Rampenlicht getretenen Hochbegabten, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Patrick Herrmann, Borussia Mönchengladbach, 19 Jahre alt, zwei Tore gegen Leverkusen. Konstantin Rausch, Hannover, 20, zwei Saisontore. Mehmet Ekici, Nürnberg, 20, zwei Aluminiumtreffer, zwei gute Spiele. Peniel Mlapa, Hoffenheim, 19, ein Tor, eine Vorlage im Pokal, ein Tor in der Liga. Marko Arnautovic, Bremen, 21, Enfant terrible, Juwel, zwei Tore gegen Köln gemacht, eines vorbereitet. Shinji Kagawa, Dortmund, 21, überragend in allen Pflichtspielen. Die Liste könnte weitergehen: Mario Götze, Bastian Oczipka, Lewis Holtby, André Schürrle, Adam Szalai, Ivo Ilicevic.
Das freche Rudel bildet den Gegenpol zu dem Modell mit den Altstars, die nicht abgetakelt sind, aber in die Jahre gekommen sind. Bezeichnenderweise haben gerade Christoph Metzelder und Raúl bei Schalke sowie Michael Ballack in Leverkusen am Wochenende schweren Schiffbruch erlitten. Sie konnten dem Hochgeschwindigkeitsfußball der Jungstars nichts entgegensetzen. Den Unbekümmerten, die zumeist ziemlich flink auf den Füßen sind, kommt zugute, dass sie Trainer hinter sich wissen, die den Mut haben, ihnen Vertrauen zu schenken.
Das muss nicht immer aufgehen, aber wenn es klappt - umso schöner. Die Underdogs werden die Topklubs nicht überholen, aber sie haben sie geärgert. Zumindest zwei Spieltage lang.