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Bundesliga Bundesliga: Fans proben den Aufstand

Von Jens Mende und Simone Andrea Mayer 11.04.2010, 15:23

Berlin/dpa. - Die Differenzen zwischen Teilen der Fans, den Clubsund dem Deutschen Fußball-Bund traten vier Spieltage vor dem Saison-Halali deutlich zu Tage. «Wenn die Fans das Gefühl haben, dass dieMannschaft nicht das Äußerste herausholt, dann sind sie zu rechtsauer - und das Gefühl kann man haben», erklärte Hoffenheims MäzenDietmar Hopp nach der 0:2-Heimpleite von 1899 gegen den 1. FC Köln.

Die Gründe für die tiefer werdenden Gräben zwischen der wichtigenzahlenden Kundschaft und den Profis sind vielschichtig. Dasgemeinsame Gebilde ist ohnehin sensibel: Auf der einen Seite die hochbezahlten Kicker - auf der anderen die Fans, die teilweise ihrletztes Hemd für ihre Vereine geben.

Und wenn sich bei denen das Gefühl einstellt, die Herren Fußballergeben für gutes Geld nicht alles und geben sich mehr als Legionäre,bricht der Konflikt aus. «Rangnick raus» und «Scheiß Millionäre»schallte es lautstark durch die Rhein-Neckar-Arena. Der HamburgerPaolo Guerrero muss wegen eines Flaschenwurfs gegen einen Fan bis zumSaisonende aussetzen.

Hoffenheims Abwehrspieler Christian Eichner verwies aber auch aufdie Auswüchse, der sich die Profis stellen müssen: «Es ist schwer,wenn man von 15-Jährigen die Fäuste gezeigt bekommt.» In Berlin waren150 Hertha-Chaoten schon nach der Partie gegen Nürnberg (1:2)ausgeflippt und hatten den Rasen gestürmt.

Der DFB reagierte auf die jüngsten Fan-Randale mit den härtestenStrafen der Bundesliga- Geschichte. Bei Hertha wurde für die Partiegegen den VfB (0:1) die komplette Ost-Kurve ausgesperrt, derHauptstadtclub durfte nur 25 000 Tickets an eigene Anhängerverkaufen. Köln musste in Hoffenheim komplett auf eigene Fansverzichten, weil einige von ihnen Wochen zuvor Feuerwerkskörpergezündet hatten.

Genau gegen die Kollektivstrafen des DFB und die Diskussionen umdie Abschaffung der Stehplätze richtet sich nun der neue Fan-Aufstand. Die Stuttgarter Anhänger schwiegen in Berlin selbst bei derBekanntgabe der VfB-Mannschaftsaufstellung. Die Dortmunder Fans lasenprovokativ Zeitung, statt die ersten zehn Minuten des Spiels in Mainzzu verfolgen.

«Die haben schlichtweg Mist gebaut», sagte Hertha-Fan PatrickMessow. «Und wir wurden weggeschickt.» 27 Randalierer waren nach demNürnberg-Spiel als Rasen-Stürmer identifiziert und mit einerdreijährigen bundesweiten Stadionsperre belegt worden - aber gleich6000 aus der Ostkurve mussten darunter leiden.

Auch alle Dauerkarten-Inhaber aus der Ostkurve mussten zur Ersatz-Veranstaltung in die Berliner Waldbühne ausweichen, wo die Partiegegen Stuttgart auf einem riesigen Bildschirm übertragen wurde. Die«Ausgestoßenen», wie sich viele selbst bezeichneten, fluchten beimPublic Viewing über die erneute Heimpleite ihres Clubs. Immer wiederstimmten sie in die lauten Fan-Gesänge ein, die per Videoleinwand ausdem Stadion übertragen wurden. Als die Menge zu Spielbeginn dasVereinslied «Nur nach Hause» anstimmte, weinten sogar einige Fans.«Das klingt heute so bitter», sagte Hertha-Fan Cosmo Sipp underklärte: «Für viele hier ist das Olympiastadion ein Ersatz-Zuhause.»

Die 58 Jahre alte Dauerkartenbesitzerin Angelika Heinich war ganzdicht bei den Ereignissen gegen Nürnberg dabei. Der Vortrommler ihrerFan-Gruppe war einer der 27 Randalierer, die nach der Rasen-Stürmungmit der bundesweiten Stadionsperre belegt wurden. «Heute darf er nochmal dabei sein», wusste sie. «Er wird in Zukunft fehlen. Die Jungssind halt aus Angst um den Verein ausgerastet.»