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Bielefeld zeigt deutschen Impressionismus

25.11.2009, 13:59

Bielefeld/dpa. - Kaiser Wilhelm II. passte mal wieder «die janze Richtung» nicht: Wahre «Rinnsteinkunst» seien die Bilder der dreisten Künstler, die vom französischen Erbfeind das Malen im Stil des Impressionismus übernommen haben, posaunte anno 1901 der Monarch in Berlin.

Was weiland des Kaisers Zorn erregt hat, ziert nun in nie gesehener Vielfalt die Wände der Kunsthalle Bielefeld. Die mit rund 180 Werken reich ausgestattete Gemäldeschau «Der deutsche Impressionismus» spürt bis zum 28. Februar 2010 erstmals dem Gesamtphänomen dieser Kunstrichtung nach, die - bis auf das herausragende Dreigestirn Slevogt, Liebermann und Corinth - bisher kaum beachtet worden ist.

«Viele dieser Bilder kommen aus Museumsdepots, weil sie nicht in der ersten Reihe gesehen wurden», erklärt Kunsthallen-Direktor Thomas Kellein, dessen Haus nun überraschend mit 35 weitgehend vergessenen Künstlernamen aufwartet. Sie alle variierten in einer unverkennbaren eigenen Art die aus Frankreich übernommene Malweise und wurden damit ab etwa 1890 zu heftig angefeindeten Vorkämpfern einer «ersten Moderne» in der deutschen Kunst, auf die der revolutionäre Expressionismus später zurückgreifen konnte.

Natürlich geizt die nach Themen wie Interieur, Garten oder Stadt geordnete Bielefelder Schau nicht mit impressionistischen «Ikonen» wie Lovis Corinths skeptisch blickendem «Selbstbildnis» von 1913, Max Slevogts kraftvollem Schauspieler-Bildnis «Der Schwarze d'Andrade» (1903) oder Max Liebermanns sonnig-heiterem «Biergarten in Brannenburg» von 1893.

Doch wer hätte je von dem Maler Robert Sterl aus Dresden gehört, der in der Nachfolge Millets und van Goghs mit «Kartoffelernte» (1905) die harte Arbeitswelt jetzt impressionistisch schildert? Sein «Karrenschieber» von 1906 oder die «Dampf auslassende Lokomotive» (1897) des in Stuttgart und München tätigen Hermann Pleuer treiben die impressionistische Auflösung des Gegenstandes durch Farbe fast so weit, wie es der derzeit in Wuppertals Museum von bisher 70 000 Besuchern bewunderte Claude Monet tat.

Spezifisch «deutsch» an der entschieden anti-akademischen Kunst des Impressionismus ist die größere Nähe zu einem ernsten Realismus und die erdig-tonige Palette. So führen es die niederländischen Szenen Liebermanns oder Walter Leistikows undatierter «Teich in der Mark» mit schon expressionistisch kraftvollem Pinselstrich vor. Viel größere Nähe zum künstlerischen Gravitationszentrum Paris zeigen die pointillistisch getüpfelten Landschaften und Blumenstillleben im Stile Signacs der fast vergessenen Künstler Paul Baum aus Meissen oder des Berliners Curt Herrmann.

Der eher als Grafiker bekannte Berliner Großstadt-Künstler Lesser Ury stellt sich in Bielefelds facettenreicher kunsthistorischer Entdeckungsreise als Maler nächtlicher, von Lichtern durchzuckter Hauptstadt-Straßen vor. Auch die von Menschen wimmelnde, sonnenbeschienene «Leipziger Straße» (1907) des Berliners Paul Paeschke gibt der prosperierenden deutschen Metropole ein fast pariserisches Flair.

Wie schwer selbst einem großen Meister das für den Impressionismus typische Malen vor dem Motiv im Freien fiel, macht Liebermanns «Schreitender Bauer» frappierend deutlich. Sein 1894 in den Dünen der holländischen Malheimat eher wie beiläufig geschaffenes Männerbildnis wirkt als Erstling unter freiem Himmel seltsam steif und leblos - vielleicht, weil dem Berliner Großbürger Sand, Sonne und steife Brise auf den Nerv gegangen sind.

www.kunsthalle-bielefeld.de