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Biathlon Biathlon: Weltklasse-Amateur

Von Stephan Klemm 05.03.2012, 20:31

Ruhpolding/mz. - Er hat es ja selbst alles gesehen und bestaunt, zwei Biathlon-Zentren, eins in Ruhpolding, eins in Oberhof, große Stadien, viele Schießstände, bei Wettkämpfen immer ausverkauft. Vielfältige Trainingsbedingungen auch im Sommer, in Oberhof gibt es nicht nur zwei Bahnen für Rollski, sondern auch einen Ski-Tunnel, in dem das ganze Jahr Schnee liegt. Bei der WM in Ruhpolding zeigen die Deutschen dann auch noch ihre größte Neuerwerbung: einen riesigen Wachs-Truck mit optimalen Bedingungen für die Ski-Präparation.

All das hat Martin Fourcade nicht. Weder daheim in Villard-de-Lans in den Alpen noch bei der Biathlon-WM in Ruhpolding. Trotzdem ist er zum Doppel-Weltmeister aufgestiegen, während die Deutschen bisher enttäuschten.

Vorzügliche Technik

Seit zwei Jahren ist Fourcade (23) Teil der Weltelite, im vergangenen Jahr hat er schon einen WM-Titel in der Verfolgung erobert, doch in Ruhpolding hat er sich selbst übertroffen: zwei deutliche Triumphe in zwei Individual-Rennen, ein Sieg im Sprint am Samstag, der andere in der Verfolgung am Sonntag. Dabei war seine Fehlerquote sehr hoch, sechs verfehlte Scheiben insgesamt. "Das geht normalerweise nicht gut. Es ist unglaublich."

Dennoch hat es geklappt. Die Basis war in beiden Wettkämpfen eine überragende Laufleistung, die ihm sein kleines Technikerteam ermöglichte. Gerade bei schwierigen Bedingungen mit matschigem, tiefem Schnee glänzen die französischen Wachser mit Top-Leistungen, die ihre viel umfangreicher ausgestatteten deutschen Kollegen so nicht hinbekommen. Seine außergewöhnliche Technik hilft ihm: "Martin Fourcade gleitet über den Schnee, er hat es raus, wie man auf diese Weise mit vorzüglicher Technik auch bei schweren Bedingungen Sekunden gutmachen kann", lobt Bundestrainer Uwe Müssiggang. Hinzu kommen noch ein paar Eigenschaften, die dem französischen Nationaltrainer Stéphane Bouthiaux aufgefallen sind: "Martin hat enorme physische und mentale Fähigkeiten, er arbeitet hart und hat großes Selbstvertrauen."

Auch in anderer Hinsicht wird die deutschen Perfektionisten mit ihrer wundervollen Biathlon-Landschaft der Aufschwung des Franzosen verblüffen. Martin Fourcade hat mit seinem Bruder Simon Fourcade (27), der ursprünglich der deutlich Erfolgreichere des Duos war, sowie mit seinem Staffelkollegen Vincent Jay oder Jean-Guillaume Béatrix, aber auch den weiblichen Weltklasse-Biathleten Marie-Laure Brunet und Marie Dorin-Habert eine erfolgreiche Parzelle in den Alpen um sich herum gruppiert.Doch in seinem Exil-Wohnort Villard-de-Lans, die Fourcade-Brüder stammen aus einem Ort in den Pyrenäen, gibt es keine ausgewiesene Loipe und keinen Schießstand. "Da haben wir improvisieren müssen. Wir haben eine Strecke durch den Wald gebastelt und auch ein paar Scheiben aus Holz auf ein Feld gestellt, darauf wird geschossen. Wir sind Amateure. Auch Martin kann nicht reich werden durch Biathlon bei uns", erzählt Bouthiaux. Die meisten Trainingseinheiten absolvieren die Franzosen unterwegs, auch in Deutschland.

Kaum Interesse der Medien

Eine Erklärung für diesen Aufschwung in der französischen Randsportart Biathlon hat Martin Fourcade nicht: "Das ist schon ein Wunder, dass es uns so zahlreich gibt. Wir sind eine Ansammlung von Hochbegabten, wie sie nur ganz selten vorkommt." Ein bisschen Interesse gebe es schon, meint Fourcade, wobei Bouthiaux sagt: "Wir sind schon sehr unter uns. Die Medien sitzen in Paris, sie kommen nur selten zu uns." Im kommenden Jahr jedoch soll in der Nähe von Villard-de-Lans ein kleines Stadion gebaut werden. "Endlich", sagt Bouthiaux.

Sein großes Saisonziel sei zwar der Gewinn des Gesamt-Weltcups, dessen Wertung er gerade anführt, erzählt Martin Fourcade, aber klar ist auch: "Ich weiß nun, wie es hier geht in Ruhpolding. Ich will weiter gewinnen. Auch am Dienstag." Am Dienstag nämlich wird der Weltmeister über 20 Kilometer gesucht. Die Bedingungen sprechen schon mal für den Franzosen: Am Montag war Schneeregen angesagt, die Strecke soll tief und matschig werden.

ARD und Eurosport übertragen das Einzelrennen der Männer am Dienstag ab 15:15 Uhr live.