Biathlon Biathlon: Michael Greis hat Spaß am Stress
Turin/dpa. - 54:23,0 Minuten hatte der 29-Jährige aus Nesselwang tags zuvor inSestriere für die erste Goldmedaille des deutschen Teams bei denOlympischen Winterspielen in Turin benötigt. Zehn Stunden dauertedagegen seine anschließende Tour mit Flowers-Zeremonie, Dopingprobe,unzählichen Interviews, der Fahrt zur feierlichen Medaillen-Vergabein Turin und der Rückreise ins Deutsche Haus nach Sestriere mitAuftritt im ZDF-Sportstudio.
Zeit zur großen Siegerparty blieb nicht. «Die richtige Feier folgtnach den Spielen. Jetzt beginnt die Vorbereitung auf den Sprint amDienstag», meinte Greis. Ruhe bekam er auch am Sonntagmorgen nochnicht. Um 10.00 Uhr klingelten Doping-Kontrolleure und baten zumBluttest. Doch er blieb gelassen: «Je mehr Kontrollen, um so besser.»
Greis hatte am Samstag Großes geleistet. In der Höhe von Sestrierewar er auf den sportlichen Gipfel gestürmt. «Es war immer ein Traumvon mir, Olympiasieger zu werden. Ich habe alles gegeben undrausgeholt», meinte der Allgäuer, der schon vor einem Jahr beimOlympia-Test auf der selben Strecke seinen ersten und einzigenWeltcup-Sieg gefeiert hatte. «Ich bin mit guten Erinnerungen hierhergekommen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir geholfen haben,den Technikern und Betreuern.»
Von den 20 Schüssen, die er abgegeben hatte, ging nur einerdaneben. Das brachte ihm zwar eine Strafminute ein, doch dasMissgeschick machte Greis mit einer großartigen Laufleistung wett.Selbst Topfavorit Ole Einar Björndalen konnte den Sportsoldaten nichtaufhalten und zollte seinem Rivalen Lob: «Ich wusste, dass Michaelder härteste Konkurrent sein würde. Er hat es verdient zu gewinnen.»
Der Norweger verpasste seine sechste Goldmedaille wegen zweiFehlschüssen. Im Ziel hatte der Silbermedaillen-Gewinner 16 SekundenRückstand auf Greis, Björndalens Landsmann Halvard Hanevold erreichteden Bronze-Platz. Für Greis' Teamkollegen erfüllten sich dieMedaillen-Hoffnungen nicht: Ricco Groß kam aus Ruhpolding auf Rangelf, der Oberhofer Sven Fischer wurde 17., Michael Rösch ausAltenberg belegte bei seinem Olympia-Debüt Platz 42.
Der unbändigen Freude im deutschen Lager tat dies keinen Abbruch.Trainer, Betreuer und Kollegen jubelten und freuten sich mit Greis.Der brauchte einige Minuten, ehe er verstand, was geschehen war. Alsihm bei der Flowers-Zeremonie Bundespräsident Horst Köhlergratulierte, kam auch ihm die Erleuchtung: «Da wurde mir erstmalsrichtig bewusst, dass ich nun Olympiasieger bin», berichtete Greis.
Der Höhepunkt des Tages war für ihn aber die Siegerehrung auf derPiazza Castello. Mit Blaulicht war er nach Turin gerast. Dort hängteihm IOC-Mitglied Jean-Claude Killy aus Frankreich, 1968 in Grenobledreifacher Alpin-Olympiasieger, vor historischer Kulisse dieGoldmedaille um. Als die Nationalhymne erklang, kam er erstmals zumNachdenken. «Das sind ganz wirre Sachen, die einem da durch den Kopfschießen. Nette private Gedanken, aber auch der Weg vom kleinenBuben, der von Olympia träumt, bis zum erfolgreichen Athleten»,berichtete er.
Nun will er sich auf die kommenden Aufgaben bei den Winterspielenin Turin konzentrieren. Am Dienstag steht bereits der zehn KilometerSprint auf dem Programm. Dann geht der Zweikampf mit Björndalen indie nächste Runde. «Ich will die Form für ein weiteres gutes Ergebnisnutzen. Doch als großen Favoriten sehe ich mich nicht. Das ist Ole»,stellte Greis klar.