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Biathlon Biathlon: Ein Herz für die Kleinen

Von PETRA SZAG 11.01.2011, 20:49

OBERHOF/MZ. - "Opa Uller" steht auf der Strickmütze. Für alle sichtbar trägt Frank Ullrich seinen neuen Status umher. Und der Mann, in der Biathlon-Szene erst als besessener Leistungssportler und später als knallharter Trainer bekannt, trägt sie mit Stolz. Seine Gesichtszüge werden weich, wenn er von seinem ersten Enkel spricht. "Ein kleines Würmchen ist sie noch, die Nele, Ende September geboren", erzählt der 52-Jährige. Nele ist die Tochter seiner Tochter. Und sie lässt Frank Ullrich das Familienleben noch einmal neu entdecken.

Seit Ullrich nicht mehr verantwortlicher Bundestrainer der Top-Skijäger ist, sondern Cheftrainer Nachwuchs, sieht er die Familie regelmäßiger, seine Frau Katrin sowie die Töchter Tina - Neles Mama - und Steffi, die gerade in Wiesbaden ihr Marketingstudium beendet hat. "Es ist schön, dabei zu sein und nicht nur Tipps aus der Entfernung zu geben", sagt Ullrich. Als er Michael Greis und Kollegen noch auf Trab hielt, "war ich ja fast immer auf Achse".

Seit einigen Monaten ist er nicht mehr permanent auf Reisen. Ullrichs Jobwechsel hat viele Gründe. Dazu beigetragen haben dürften sicher auch die Querelen mit einigen seiner prominenten Schützlinge, vor allem der öffentlich ausgetragene Streit mit Greis. Ullrich allerdings führt andere, für ihn schwerwiegendere Argumente ins Feld: "Es ist an der Zeit, dass ich meiner Familie etwas zurückgebe", sagt er. Der erst wenige Monate zurückliegende Tod seiner Mutter sei wie ein Signal gewesen.

Eigentlich wollte er sich ganz aus dem Sport zurückziehen. Loslassen konnte der neunfache Weltmeister und erste deutsche Olympiasieger der mittlerweile so populären Sportart aber nicht. An Angeboten hat es nicht gemangelt. "Da waren schon einige reizvolle dabei, aus der Wirtschaft und dem Sport." Welche Länder ihn zu ködern versuchten, gibt er nicht preis. Deutschland jedoch wollte er nicht verlassen. Nun also doch wieder Biathlon. Warum? "Die neue Aufgabe ist sehr vielschichtig. Es macht mir großen Spaß, mit jungen Sportlern und Trainern zu arbeiten", sagt Frank Ullrich.

Die Juniorinnen der Nationalmannschaft waren es auch, die ihn mit der Mütze überrascht haben. Sie freuten sich diebisch, als er sich diese sogar bei einem TV-Interview während der Oberhofer Weltcups überstülpte. Ganz so, als wollte er zeigen, dass er sich voll mit seiner neuen Aufgabe identifiziert.

Doch auch die alten sind noch allgegenwärtig. Die Verbindung zu seinen früheren Schützlingen ist nicht abgerissen. Man redet miteinander. Hin und wieder holt sich auch einer einen fachlichen Rat. Ullrich: "Aber natürlich nicht mehr so oft wie früher." Für die Rundumbetreuung ist jetzt Mark Kirchner zuständig. Mit der Entscheidung des Verbandes über seinen Nachfolger war Ullrich mehr als zufrieden. "Ich habe acht Jahre lang daran daraufhin gearbeitet, dass er in meine Fußstapfen treten kann." Auch die Fehde mit Greis, der Ullrich einen diktatorischen Stil vorwarf, ist vergessen. "Das war schon vor Vancouver ausgestanden."

Die aktuelle Mannschaft, mit den jungen Arnd Peiffer, Christoph Stephan und Daniel Böhm sowie den Routiniers Michael Greis, Andreas Birnbacher und Alexander Wolf sei eine gute Mischung, ihnen traut Ullrich bei Olympia 2014 Großes zu.

Von seinen jetzigen Schützlingen wird dann sicher noch niemand dabei sein. "Sie brauchen noch Zeit für ihre Entwicklung." Und dieser widmet er seine ganze Aufmerksamkeit. Statt beim Weltcup ab heute in Ruhpolding den Auftritt der Elite zu verfolgen, zieht es ihn ins Luisenthal auf der anderen Seite des Rennsteigs. Beim deutschen Schüler-Cup "will ich den engagierten Nachwuchstrainern meine Referenz erweisen". Und die Talente unter die Lupe nehmen. Vielleicht sind ja einige dabei, die in ein paar Jahren zu den ganz Großen zählen.

Um seine Zukunft und die des deutschen Biathlon jedenfalls ist Ullrich nicht bange. Seine Zuversicht nimmt er aus über 40 Jahren Leistungssport. "Biathlon ist eine Sportart, die lebt", weiß Ullrich. Und für die er lebt. Sei es nun als Bundestrainer Männer oder Cheftrainer Nachwuchs.