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BFC Dynamo BFC Dynamo: Neue Dokumente zu Stasi-Verquickungen von «Mielkes Spielzeug»

08.06.2012, 17:21
Der SV-Dynamo Mitgliedsausweis von Stasi-Chef Erich Mielke liegt in der Ausstellung «Fußball für die Stasi.
Der SV-Dynamo Mitgliedsausweis von Stasi-Chef Erich Mielke liegt in der Ausstellung «Fußball für die Stasi. dpa

Berlin/dpa. - Die Stasi füllte das gesamte BFC-Stadion. Was früher alle nur ahnten, wird durch neue Dokumente im Bildungszentrum der Stasi-Unterlagen-Behörde in Berlin anschaulich belegt. Erstmals ist dort eine einst geheime Stadionskizze mit der geplanten Belegung der Tribünen beim brisanten Europacup-Spiel des zehnfachen DDR-Meisters BFC Dynamo gegen den Hamburger SV am 15. September 1982 zu sehen. Daraus geht hervor, dass der Berliner Jahn-Sportpark überwiegend mit Vertretern aus DDR-Ministerien, Parteien und Massenorganisationen gefüllt wurde, um Sympathie-Kundgebungen der Fans für den HSV zu unterbinden.

„Natürlich haben wir gespürt, dass nicht die Fans im Stadion waren, die uns sonst bei Oberliga-Spielen unterstützt haben“, bestätigt Christian Backs, einst Mittelfeldspieler beim DDR-Rekordmeister. Acht Titel gewann er mit dem BFC und bestritt neun Länderspiele für die DDR. „Und wir haben die Verbitterung der Fans darüber zu spüren bekommen. Ende der 1980er Jahren gingen die Zuschauerzahlen drastisch zurück“, sagt der 49-Jährige, der heute als Immobilien-Makler tätig ist und in seiner Freizeit die Reinickendorfer Füchse trainiert.

Die neue Ausstellung ist für den einstigen Dribbler spannend, auch wenn er die zur Schau gestellten Verquickungen zwischen seinem Ex-Verein und dem Ministerium der Staatssicherheit der DDR aus seinen zehn Jahren beim BFC bestens kennt. „Einige Sachen sind aber selbst für mich neu“, gesteht Backs. So schaut er überrascht auf das Tableau, auf dem ein Messprotokoll des Instituts für Sportmedizin in Kreischa aufgelistet ist: Demnach wiesen 14 von 22 BFC-Spielern bei einer „Ausreise-Kontrolle“ am 17. November 1983 Spuren von Amphetaminen auf. „Wir haben nie bewusst Doping-Präparate zu uns genommen. Aber Vitamine gab es regelmäßig“, meint der Berliner.

Backs wie auch die Initiatoren der Ausstellung von der Stasi-Unterlagen-Behörde legen Wert darauf, dass zwischen den Funktionären, die den Verein politisch und strategisch führten, und seinen Spielern differenziert wird. „Wir waren Fußballer, wir haben unseren Job gemacht und vielleicht zu oft brav 'ja, ja' gesagt. In der Kabine haben wir ganz anders geredet“, behauptet er. „Obwohl ich jetzt nicht mehr ganz sicher bin, dass wir dort wirklich unter uns waren.“

Backs bedauert, dass aufgrund der Stasi-Verwicklungen seines Clubs die sportlichen Leistungen der Fußballer, die zwischen 1979 und 1988 zehnmal in Serie Meister wurden, zu kurz kommen. „Wir waren ein Super-Team, haben hart gearbeitet und immer zusammengehalten.“

Eindrucksvoll veranschaulicht die Ausstellung, wie die Stasi hunderte Spitzel auf jene BFC-Profis und deren Familien ansetzte, die Lutz Eigendorf (1979) oder Falko Götz und Dirk Schlegel (1983) in den Westen flohen. Damit versetzten sie der Staatssicherheit mit ihrem Minister Erich Mielke, für den der BFC als „liebstes Spielzeug“ galt, peinliche Tiefschläge. Zwar vermied der spätere Hertha-Trainer Falko Götz immer, politische Gründe für seine Flucht anzugeben, dennoch musste er nach der Wende in seiner Opfer-Akte nachlesen, wie genau zum Beispiel seine Wohnung in Leverkusen von der Stasi observiert wurde.

Obwohl die von der Stasi als „Sportverräter“ abgestempelten Leistungssportler - insgesamt verließen rund 600 die DDR in Richtung Westen - mit ihrer Flucht für spektakuläre Schlagzeilen sorgten, hatte dies für die Mannschaft des BFC kaum Auswirkungen. „Wir hatten dann vielleicht eine Politschulung mehr, aber Repressalien gab es nicht“, erinnert sich Backs.

Mit einem Schmunzeln betrachtet der frühere BFC-Spielmacher jenen Teil der Ausstellung, der dem teils skandalösen Verhalten der Schiedsrichter in der DDR-Oberliga gewidmet ist. Eine Karikatur der Fans des FC Rot-Weiß Erfurt, auf der die BFC-Fußballer den Schiedsrichter hochleben lassen, ist nur ein Beleg für die engen Bindungen der meisten Referees an die Stasi und den Hass, der dem BFC in allen Stadien der DDR aufgrund seiner Bevorzugung entgegenschlug. „Der Hass hat uns eher motiviert“, sagt Backs heute. „Natürlich gab es strittige Schiedsrichter-Entscheidungen“, räumt er ein, aber die Mannschaft hätte diese „überhaupt nicht nötig“ gehabt.