Beifall und Pfiffe für knappes Votum
Zerbst/MZ. - Mehrheit für Vollfusion
Der sollte über ein Positionspapier zum Gesetzentwurf über die Kreisgebietsreform entscheiden. In sich zerrissen wie die Wählerschaft auch das Gremium der Volksvertreter selbst, wie die Abstimmung zeigte: Von den 35 anwesenden Kreistagsmitgliedern sprachen sich 17 für das Positionspapier aus, 14 stimmten dagegen, vier enthielten sich der Stimme (die MZ berichtete gestern). Damit wendet sich der Kreistag Anhalt-Zerbst mehrheitlich gegen die im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehene Aufteilung des Landkreises auf das Jerichower Land und Wittenberg und befürwortet die Vollfusion mit dem Landkreis Köthen.
Warnung vor Folgen
Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Zerbst, der Lebensrettungsgesellschaft und weitere Bürger, unter ihnen Bürgermeister Helmut Behrendt (FDP), verliehen mit ihren Plakaten im Saal eben jener Forderung Ausdruck. Mit einem in zwei Teile zerrissenen Sparkassen-Logo und der Aufschrift "So nicht!" machten zahlreiche Mitarbeiter des Anhalt-Zerbster Kreditinstitutes auf ihrer Meinung nach negative Folgen einer Kreisteilung aufmerksam.
Ihnen gegenüber - durchmischt mit einigen Roßlauern - die Demonstranten aus der Verwaltungsgemeinschaft Coswig samt Bürgermeisterin Doris Berlin. "Anhalt-Köthen - nicht mit uns", hatten sie auf ihre Plakate gemalt; denn sie wollen in den Landkreis Wittenberg. Dagegen forderte ein älterer Herr aus Coswig auf seinem knallgelben Schutzhelm in nicht ganz jugendfreien Worten den Verbleib seiner Stadt in einem Kreis Anhalt. Einige Loburger hingegen bekräftigten gegenüber den Kreistagsmitgliedern die Absicht ihrer Kommune, Anhalt-Zerbst in Richtung Jerichower Land zu verlassen.
Schließlich war noch die Bürgerinitiative "Regionalkreis Anhalt" einmarschiert, die - wie der Roßlauer Stadtrat Rainer Gerdung (Offensive D) auf einem tapfer in die Höhe gehaltenen Schneeschieber - zu Anhalt-Zerbst und Köthen noch die Einbeziehung des Landkreises Bernburg und der Stadt Dessau (als Kreisstadt) in das neue Kreisgebilde verlangt.
Die von Tagungsleiterin Elrid Wollkopf-Dittmann (SPD) wohl mehr aus formalen Gründen vorgebrachte Aufforderung, die Plakate wegzulegen und den Kreistag auch nicht mit lautstarken Gemütsäußerungen zu beeinflussen, verhallte wirkungslos. Es wurde vielmehr fleißig geklatscht, gepfiffen, gebuht und getrampelt.
Die Diskussion zum Positionspapier glich dann mehr einer Wiederholung der plakativen Forderungen des Publikums. "Wir gehören ins Jerichower Land, waren noch nie ein Bestandteil von Anhalt", stellte Andreas Vogler (Initiative Schulbildung mit Zukunft) fest und meinte damit die Gemeinden um Loburg. Diese, so informierte er, würden gerade Verhandlungen zum Wechsel in die Verwaltungsgemeinschaft Möckern anbahnen.
Nicht mehr möglich
Ein Zusammenschluss des gesamten Landkreises Anhalt-Zerbst mit Köthen sei gar nicht mehr möglich, verwies Jürgen Michalek (CDU) auf das bereits erfolgte Ausscheiden von fünf Gemeinden und die bevorstehende Fusion von Roßlau und Dessau. Da die Mehrheit der Einwohner entweder ins Jerichower Land oder nach Wittenberg wolle, entspreche der ursprüngliche Vorschlag der Landesregierung dem Bürgerwillen am weitesten, begründete Michalek sein Nein zum Positionspapier.
Sein Parteifreund Ralf Laaß, zugleich Mitglied des Landtags, mahnte den Kreistag, geschlossen für die Fusion mit Köthen zu stimmen und nicht den Eindruck der Zerrissenheit aufkommen zu lassen. "Es gibt nichts was offensichtlicher ist, als diese Zerrissenheit", entgegnete ihm Dr. Walter Höhm (ebenfalls CDU). Man könne den Coswigern nicht erklären, warum Köthen Kreisstadt werden soll, "wenn Wittenberg doch nur 13 Kilometer entfernt ist", beschrieb Höhm die Befindlichkeiten.
Lediglich die Stadt Zerbst und umliegende Gemeinden wollten mit Köthen fusionieren, bekräftigte Mathias Mohs (CDU). Deshalb hätte der neue Kreis von Anfang an "Akzeptanzprobleme".
"Wenn Anhalt-Zerbst zerschlagen ist, gibt es kein Zurück mehr", beschwor Landrat Holger Hövelmann (SPD) den Kreistag, diese "letzte Chance" nicht zu verspielen und ein eindeutiges Signal Richtung Landesregierung und Landtag zu senden. Nur bei einer Vollfusion mit Köthen könnten die Strukturen in Sport, Kultur und Vereinsleben erhalten und die Teilung wichtiger Einrichtungen wie der Kreissparkasse verhindert werden.