Balkon von Dresden: Rundgang im Viertel Weißer Hirsch
Dresden/dpa. - «Am liebsten hockte ich dann auf der Gartenmauer und schaute dem Leben und Treiben auf dem Albertplatz zu», schrieb Erich Kästner in seinem Roman «Als ich ein kleiner Junge war».
«Die Straßenbahnen, die nach der Altstadt, nach dem Weißen Hirsch, nach dem Neustädter Bahnhof und nach Klotzsche und Hellerau fuhren, hielten dicht vor meinen Augen, als täten sie's mir zuliebe.» Einen großen Teil seiner Jugend verbrachte der in Dresden geborene Schriftsteller in der Villa Augustin seines Onkels Franz. Dort ist heute ein kleines Kästner-Museum untergebracht. Und noch immer kreuzen viele Straßenbahnlinien den Albertplatz.
Wer hier in einen Wagen der Linie 11 in Richtung Bühlau steigt, fährt ganz bequem zum Stadtteil Weißer Hirsch hinauf. Dabei geht es auch vorbei an den Anschlüssen zur Waldschlößchenbrücke, die die Stadt den Status eines Weltkulturerbes der Unesco kostete. Danach taucht das ehemalige Gelände der Stasi auf, die hier ihre Bezirksverwaltung und ein Untersuchungsgefängnis hatte. Eine Gedenkstätte informiert über Einzelschicksale politischer Häftlinge und Verhörmethoden der DDR-Staatssicherheit.
Auf halbem Weg zum Weißen Hirsch locken drei Elbschlösser zu einem Zwischenstopp. Sie liegen in imposanter Lage an den Hängen des Elbtals. Den Auftakt macht das Schloss Albrechtsberg, das der berühmten Villa Medici in Florenz nachempfunden wurde. Nebenan liegt das Lingner-Schloss, das der Unternehmer Karl August Lingner der Stadt Dresden stiftete. Nummer drei ist das im Tudorstil erbaute Schloss Eckberg, inzwischen ein Hotel. Im weiteren Verlauf überquert die Linie 11 die Mordgrundbrücke, um dann einen steilen Anstieg zum Bad Weißer Hirsch zu meistern.
Dort erwartet Reiseführerin Saskia Köhler ihre Gäste an der Plattleite. In Uwe Tellkamps Roman «Der Turm» heißt diese Straße Turmstraße. Dass der Bestseller über das Dresdner Bildungsbürgerturm in den letzten Jahren der DDR so erfolgreich werden würde, hatte Saskia Köhler nicht erwartet. Die Besiedlung der Gegend begann im 17. Jahrhundert, erfahren die Teilnehmer des Rundgangs. «Damals wurden Weinberge und Wirtshäuser angelegt, darunter auch die 'Schenke Zum Weißen Hirsch'.»
Bald entwickelte sich der Ort zu einem beliebten Ausflugsziel der Dresdner, später zu einer anerkannten Sommerfrische und schließlich zu einem international besuchten Bad. Der Seifenfabrikant Ludwig Künzelmann ließ ein Kurhaus bauen und gestaltete den angrenzenden Teil der Heide zum Waldpark um. Die weitere Entwicklung des Ortes bestimmte das 1888 von dem Arzt Heinrich Lahmann gegründete Sanatorium. Um die Kurgäste täglich mit frischem Gemüse versorgen zu können, kaufte er sogar ein Gut vor den Toren der Stadt. Sein Wohlfühlkonzept lockte Gäste aus aller Welt an. Seit 1899 war der Ort an das Dresdner Straßenbahnnetz angebunden.
Das Bombardement Dresdens verschonte den Weißen Hirsch, doch viele Villenbesitzer waren 1945 vor der Roten Armee geflohen oder wurden enteignet. Große Wohnungen wurden zumeist mit mehreren Mietparteien belegt. Dennoch behielt das Viertel gerade bei Intellektuellen seine Anziehungskraft. Anschaulich beschreibt Tellkamp, wie sich das Bildungsbürgertum, für das es im Sozialismus keinen Platz mehr gab, mit Hausmusik, Lektüre und intellektuellem Austausch einrichtete. «Dichtung und Wahrheit fließen zusammen», sagt Köhler. «Einige Orte lassen sich aber konkret zuordnen.» Das gilt zum Beispiel für das «Tausendaugenhaus», eine Jugendstilvilla in der Hietzigstraße, deren schmiedeeiserner Gartenzaun den Bucheinband ziert.
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