Bad Frankenhausen Bad Frankenhausen: Der schiefe Turm von Thüringen ist ein Wahrzeichen auf der Kippe

Bad Frankenhausen/dpa. - Touristen, diedas Bauwerk sehen wollen, sollten sich allerdings beeilen, denn seineZukunft ist ungewiss: Thüringens schiefer Turm steht auf der Kippe.
Eigentlich müsste der Kirchturm sogar noch berühmter sein als derCampanile in der Toskana, denn er ist ein halbes Grad mehr aus demLot. Das haben Messungen der Universität Magdeburg ergeben, die sogardie Einwohner von Bad Frankenhausen erstaunten. Noch vor vier Jahrenhatte der 56 Meter hohe Turm der eine Schieflage von 3,89 Metern. ImJahr 1920 waren es sogar erst 2,21. Inzwischen ist der Kirchturm aberum 4,22 Meter aus dem Lot. Das entspricht einem Neigungswinkel von4,5 Grad. Nach den jüngsten Untersuchungen des Untergrundes wird derTurm jährlich um weitere sechs Zentimeter nach Nordosten kippen. FünfMeter Schieflage würde er aushalten - aber das ist reine Theorie.
Damit macht Bad Frankenhausen dem aktuellen Rekordhalter in SachenSchieflage Konkurrenz: dem Turm von Suurhusen in Ostfriesland aus dem15. Jahrhundert. Er steht im Guinness-Buch der Rekorde als«schiefster Turm der Welt». Das Bauwerk ist 27,37 Meter hoch, seinÜberhang vom Dachfirst beträgt 2,43 Meter. Angesichts der geringenHöhe entspricht das einer Neigung von 5,07 Grad. BeimGradzahlen-Vergleich liegt damit Suurhusen vorn. Allerdings ist derKirchturm von Bad Frankenhausen fast drei Meter mehr aus dem Lot. Nunist es Definitionssache, den «schiefsten Turm der Welt» zu ermitteln.
Die Schieflage in Suurhusen gilt als ungefährdet und stabil. DerFörderverein zur Erhaltung der Kirche in Bad Frankenhausen arbeitetdagegen noch daran, den schiefen Turm zu erhalten. «Dass er kippt,ist sicher», prognostiziert Architekt Volker Trautvetter, der dasProjekt betreut. Unter dem Turm ist der Boden verschieden beschaffen:Eine Diagonale trennt festen Felsen von Schotter. Aus der losenHälfte des Bodens haben Niederschläge im Laufe der Jahrhunderte Gipsausgespült. «In diesen losen Untergrund müsste buchstäblich Geld,also Beton, gepumpt werden», sagt Bürgermeister Karl-Josef Ringleb.
Die Stadtführerin Bärbel Köllen ist Vorsitzende des 160-köpfigenFördervereins, der 1992 zur Erhaltung der Kirche gegründet wordenist. Sie will sich mit ganzer Kraft für den Erhalt das Gebäudeseinsetzen, das im Sommer für Freilichtgottesdienste und Konzertegenutzt wird. Denn ein Dach hat das Kirchenschiff schon seit 1962nicht mehr. Schwammbefall hatte es damals zerstört. «Aber dieAussicht von der Anhöhe ist einfach grandios», schwärmt Köllen.
Von 1984 bis 1993 war das Gelände gesperrt, zurzeit darf den Turmniemand betreten. Von einem Abriss aber wollen die Menschen nichtswissen: «Wir wünschen uns sogar, dass Touristen wegen unseresschiefen Turms herkommen», sagen Bürgermeister und Stadtführerin.
Der Turm ist außerdem nicht die einzige Attraktion in BadFrankenhausen. Seit 1989 gibt es im Ort auch das «Panorama-Museum»mit dem weltweit größten Rundgemälde. Das Werk von Werner Tübke misst14 mal 123 Meter und zeigt den Bauernkrieg im 16. Jahrhundert.
Informationen: Tourist-Information Bad Frankenhausen, Anger 10,06567 Bad Frankenhausen (Tel.: 034671/717 17, Fax: 034671/717 19).