Australian Open Australian Open: Rainer Schüttler tauchte ab
Melbourne/dpa. - Schlaflos in Melbourne: Vor dem größten Spiel seiner Tennis-Karriere brach Rainer Schüttler mit seinen Gewohnheiten und ließ sich bis weit nach Mitternacht von der Faszination eines geschichtsträchtigen Spiels anstecken. «Er konnte nicht abschalten», sagte Trainer Dirk Hordorff am Donnerstag und hatte damit doppelt recht. Erst als Andy Roddick den längsten fünften Satz der Grand- Slam-Geschichte gegen Younes El Aynaoui mit 21:19 gewonnen hatte und Schüttler seinen Halbfinal-Gegner bei den Australian Open kannte, drückte er den Aus-Knopf auf der Fernbedienung.
Viel sprachen Trainer und Schützling am Morgen danach nicht über das epochale Duell, der Blick galt Schüttlers erstem Grand-Slam- Halbfinale am Freitag (09.30 Uhr MEZ/ARD und Eurosport). Der 26- Jährige ließ sich nicht sehen und Hordorff schirmte seinen Schützling von den zahllosen Anfragen der Medien ab. Während der Hesse am Vormittag «geheim» für 45 Minuten trainierte, war Roddick damit beschäftigt, das Fünf-Stunden-Match vom Vorabend zu verdauen. Am Montag hatte der 20-jährige Amerikaner schon in einem dreieinhalb Stunden langen Spiel gegen den Russen Michail Juschni erstmals einen Zwei-Satz-Rückstand wett gemacht. Gegen El Aynaoui wehrte Roddick sogar einen Matchball ab.
«Zwei solche Fünf-Satz-Matches helfen mental so weiter, dass ihm im Turnier nichts mehr passieren kann. Aus seinem Umfeld habe ich gehört, dass er ganz erstaunlich fit ist und sogar schon wieder trainiert hat», sagte Hordorff. Die Mehrbelastung werde zum Schluss keinen großen Ausschlag geben.
«Wie lange hat er bisher gespielt?» hatte Roddick nach dem größten Match seiner noch jungen Karriere in Richtung Schüttler gefragt. «Sechs Stunden?» Es waren 7:53 Stunden in vier Begegnungen, Roddick stand allein in Achtel- und Viertelfinale 8:35 Stunden auf dem Platz, in seinen fünf Spielen waren es insgesamt 12:56 Stunden.
Die Kanonen-Aufschläge des US-Daviscupspielers, der ebenfalls sein erstes Grand-Slam-Halbfinale bestreitet, und Schüttlers Returns werden der Schlüssel für das zweite Aufeinandertreffen sein. Mit 223 Stundenkilometern geht der bislang härteste Aufschlag des Turniers auf Roddicks Konto. Sollte Schüttler selbst gut genug servieren, sieht Hordorff Chancen für den Einzug ins Finale am Sonntag: «Ich habe nicht das Gefühl, dass Roddick der schlechteste Gegner ist. Im Ballwechsel müsste Rainer stärker sein.»
Das Echo aus Deutschland kommt inzwischen auch immer stärker in Australien an. Schüttler habe «seine 99 e-mails» gelesen, sagte Hordorff, darunter mindestens eine vom Deutschen Tennis Bund (DTB). DTB-Präsident Georg von Waldenfels hatte erstmals zum Halbfinal- Einzug beim Turnier in Sydney gratuliert und will zum Endspiel nach Melbourne kommen, falls Schüttler dabei ist.
Telefonisch ist der Tennis-Aufsteiger derzeit nur noch schwer zu erreichen. Seit Dienstag lässt Schüttler Gespräche auf sein Hotelzimmer nicht mehr durchstellen, Hordorff hat seit Mittwoch um diesen Service gebeten. «Manche Rundfunkanstalten rufen nachts um drei an und fragen als erstes, wie spät es in Melbourne ist. Und dann wollen sie trotzdem ein Interview», sagt der Coach. Nicht nur für seinen Schüler Schüttler ist Schlaf derzeit Luxus.