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Aserbaidschan Aserbaidschan: Deutsche Exotin leistet Aufbauhilfe

Von Klaus Vick 20.04.2012, 17:03
Echings Trainerin Sissy Raith (Foto aus dem Jahr 2009). Frauenfussball in Aserbaidschan war bis vor zwei Jahren in etwa so verbreitet wie Skifahren in der Südsee - dann kam Sissy Raith als Aufbauhelferin nach Baku. (FOTO: DAPD)
Echings Trainerin Sissy Raith (Foto aus dem Jahr 2009). Frauenfussball in Aserbaidschan war bis vor zwei Jahren in etwa so verbreitet wie Skifahren in der Südsee - dann kam Sissy Raith als Aufbauhelferin nach Baku. (FOTO: DAPD) dapd

Baku/dapd. - „Aber genau das passt ja auch zu mir“, sagt die Münchnerin.

Aserbaidschans Fußballverband hatte die irrwitzige Idee, sich für die U17-WM der Mädchen im Herbst 2012 zu bewerben, ohne eine eigene Mannschaft zu haben. Der Staat in Vorderasien erhielt von der FIFA dennoch den Zuschlag. Fortan suchte der Generalsekretär des aserbaidschanischen Fußballverbandes, Elkhan Mammadov, eine geeignete Trainerin - und wurde im Zuge einer Kooperation mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) fündig. Als der erste Kontakt mit Sissy Raith zustande kam und sie den Generalsekretär im Frühjahr 2010 nach den Strukturen fragte, nach der Anzahl der Fußballspielerinnen oder der Ligen, erhielt sie eine klare Antwort: „Sie fangen bei Null an.“ Keine Spielerinnen, keine Ligen - nichts. Raith nahm dennoch an und zog von Bayern nach Baku: „Das ist so eine verrückte Herausforderung, das muss ich machen.“

Ihre Fähigkeiten an der Seitenlinie hatte Raith schon von 2002 bis 2008 beim Frauen-Bundesligisten FC Bayern München unter Beweis gestellt. Nach einem kurzzeitigen Intermezzo beim Bayerischen Fußballverband folgte ein mutiger Schritt: Im Januar 2009 übernahm sie den Trainerposten beim damaligen Männer-Bezirksoberligisten TSV Eching, ihrem Heimatverein. Anfangs sei sie über das Angebot „fast erschrocken“. Doch sie habe nur eine Nacht drüber schlafen müssen und dann „sofort Nägel mit Köpfen gemacht“.

Zwtl.: Der erste große Rückschlag ihrer Karriere

Sie stieg mit Eching in die Landesliga auf und war fachlich anerkannt, ehe das Experiment zu Ende ging. Gescheitert war es zwar nicht. Aber es kam zum Bruch zwischen ihr und dem Vereinsvorsitzenden Peter Raab. Als nach dem Aufstieg der Erfolg ausblieb, äußerte er den Verdacht, es sei wohl nicht so förderlich, wenn sich Männer nach einem harten Arbeitstag auf dem Trainingsplatz mit einer Frau auseinandersetzen müssten. Im Oktober 2009 war die hochklassigste Trainerin im Männerfußball von ihrem Job entbunden worden. Die Umstände der Entlassung fanden damals enorme mediale Beachtung in ganz Deutschland.

Heute spricht die 52-Jährige von einer tollen Zeit und wertvollen Erfahrung. Wertvoll genug, um sie für das Abenteuer Aserbaidschan zu stählen. Dort war Pionierarbeit zu leisten. Die Münchnerin reiste mit ihrem etwa zehnköpfigen Team in die entlegensten Winkel. Ins Kaukasus-Gebirge, an die iranische Grenze, nach Dhagestan. Drei Monate war sie unterwegs, um Talente für den Aufbau einer zweigeteilten Liga zu sichten.An ein geregeltes Fußballspiel war anfangs nicht zu denken. Manchmal hätten die Mädchen den Ball auch einfach in die Hand genommen, sagt Raith. Nach einiger Zeit sah es zumindest so aus wie bei einer F-Jugendmannschaft. Es ging voran.

Zwtl.: Zermürbende Ergebnisse

Die ersten Länderspiele waren von Ergebnissen zwar zermürbend. Kein Spiel unter 0:20, dann 0:18 gegen Schweden, 0:11 gegen Wales. Doch Raith schaffte es, ein Team zu formen. „Das geht nur, wenn man die Arbeit liebt und aus tiefstem Herzen macht.“Ihr Lohn sind die jüngsten Resultate. Zuletzt gab es zwei Siege mit 6:0 und 5:0 gegen Georgien sowie ein knappes 1:2 gegen Ungarn. „Wir sind mit vielen Mannschaften auf Augenhöhe, aber natürlich nicht auf europäischem Spitzenniveau“, sagt Raith.

Nationale Aufmerksamkeit ist ihr dennoch sicher. So wurden die Test-Länderspiele gegen Georgien live im Fernsehen übertragen.Sissy Raiths Vertrag mit dem Nationalverband von Aserbaidschan gilt bis zur Weltmeisterschaft (22. September bis 13. Oktober 2012). Wie es nach der WM weitergeht, weiß sie noch nicht.„Es gibt mehrere Optionen“, erklärt Raith. Der Job als Trainerin von Aserbaidschans Männer-Nationalmannschaft ist allerdings nicht mehr frei. Berti Vogts hat seinen Vertrag kürzlich verlängert.