Angst vor Mietrückständen und erschwerte Wohnungssuche

Wiesbaden - Die einen wissen nicht, wie sie in Zeiten geltender Kontaktverbote derzeit eine Wohnung finden sollen, andere fürchten, ihre Mietschulden nicht begleichen zu können. In Zeiten der Corona-Krise erhält der Mieterbund in Hessen derzeit deutlich mehr Anfragen von Menschen, die sich Sorgen über Mietrückstände machen. „Derzeit kommt bestimmt ein Drittel der Anrufe von Leuten, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen”, sagte Verbandsdirektorin Eva-Maria Winckelmann der Deutschen Presse-Agentur. Auch wenn diese Rückstände erst mal gestundet würden, bedeute das nicht das Ende großer Sorgen: „Das sind oft Menschen aus dem Niedriglohnsektor, die keine Rücklagen haben”, sagte Winckelmann.
Der Mieterbund spreche sich daher für einen zusätzlichen Wohnfonds aus, damit das Land zumindest Zuschüsse für Menschen in solchen Notlagen zur Verfügung stellen könne. Auch insolvenzgefährdete Vermieter könnten mit Mitteln aus einem solchen Solidarfonds vor einer wirtschaftlichen Schieflage aufgrund von Corona-bedingten finanziellen Ausfällen geschützt werden.
Die Sprecherin für Wohnen bei der Landtagsfraktion der Grünen in Hessen, Hildegard Förster-Hermann, begrüßte am Mittwoch, dass die landeseigene Nassauische Heimstätte bereits mit gutem Beispiel voran gehe, Kündigungen ausschließe und Einkaufshilfen organisiere. „Die Corona-Pandemie trifft Hessens Mieter und Wohnungswesen mit voller Breitseite”, sagte sie. Wohnungswirtschaft, Kommunen, Vermieter und Mieter müssten de wirtschaftlichen Belastungen durch Covid-19 „gemeinsam und in fairer Verteilung schultern”.
Bereits vor der Pandemie hätten Beratungsangebote zur Vermeidung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit deutlich zugenommen, sagte Christiane Böhm, sozialpolitische Sprecherin der Linken, am Mittwoch zu einer Großen Anfrage ihrer Fraktion zur Wohnungsnot in Hessen. Angesichts der finanziellen Folgen von Kurzarbeit insbesondere bei Menschen mit niedrigen Einkommen müsse neue Wohnungslosigkeit mit allen Mitteln verhindert werden, sagte Böhm.
Auch wer derzeit wegen eines Jobwechsels, einer Trennung oder aus sonstigen Gründen kurzfristig auf Wohnungssuche ist, habe keine guten Karten, sagte Winckelmann. „Umzüge sind gerade super schwierig.” Wer eine Wohnung habe, habe derzeit wenig Initiative, sie zu wechseln, Besichtigungstermine könnten vor allem von Angehörigen von Risikogruppen abgelehnt werden. Beratungen zu Umzügen hätten nun allerdings deutlich nachgelassen. Die lange Zeit in den eigenen vier Wänden mache manche Menschen aber nun aufmerksamer für Mängel ihrer Wohnung, in der sie sonst nicht so viel Zeit verbracht haben. Auch laute Nachbarn fielen in Zeiten des Home-Office negativ auf.
„Wir halten uns bei Wohnungsbesichtigungen natürlich an Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen”, sagte Frank Alexander vom Immobilienverband Deutschland. „Die Nachfrage ist signifikant rückläufig, aber nicht bei Null.” Dennoch dauere es jetzt deutlich länger, um Interessenten eine neue Wohnung zu zeigen: „Wo wir früher die Besichtigungstermine auf einen halben Tag gelegt haben, dauert es jetzt zwei Tage.” Angesichts der Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und vor einer Inflation gebe es auch Nachfragen von Interessenten, die nun ihr Geld in einer Immobilie anlegen wollen. (dpa/lhe)