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50 Jahre Sportschulen 50 Jahre Sportschulen: Große Würfe als Trainer

Von Rüdiger Fritz 22.08.2005, 19:01

Halle/MZ. - Eine schwere Gelbsuchterkrankung, verbunden mit einem 14-monatigen Krankenhaus-Aufenthalt, beendete die aktive Sportlerlaufbahn von Gerhard Böttcher schon im Alter von 18 Jahren. Von 76 Kilogramm war der Hammerwerfer und Leichtathletik-Mehrkämpfer 1963 binnen weniger Wochen auf 57 Kilo abgemagert. Diesen ersten wie auch später einen zweiten prägnanten Einschnitt in seiner Karriere verkraftete der damalige Schüler an der Kinder- und Jugendsportschule in Halle nicht nur schlechthin. "Mache das Beste aus einer Situation. Ein Weg lässt sich finden, wenn man nur will", sagt der 60-jährige Gerhard Böttcher heute und hat damals schon so gedacht.

Wenn der Hallenser nun als erfolgreichster deutsche Leichtathletik-Bundestrainer dasteht und gerade den Weltmeistertitel von Diskuswerferin Franka Dietzsch in Helsinki mit zu "verantworten" hat, dann gipfelt darin sein beizeiten erkannter Hang nach höchsten Leistungen. "Dafür danke ich auch den Lehrern an der Sportschule, die ich von 1959 bis zum Abitur 1964 besucht habe. Sie verlangten viel von uns und waren oft über die geforderte Zeit für uns da", erzählt er.

Die Sportlerzeit bescherte ihm trotz ihrer Kürze einige Erfolge. Als Schüler schleuderte er den fünf Kilogramm schweren Hammer über 56 Meter weit, war Dritter beim Sportfest aller KJS. Den deutschen Mannschafts-Mehrkampfpokal gewann er 1963 mit seinen Mitschülern Harald Werner (bis 2004 Bundestrainer der deutschen 400-Meter-Läuferinnen), Uli Rothe (Fußballer beim HFC Chemie und Chemie Leipzig sowie Trainer bei Dynamo Eisleben), Bernd Kaden (Ingenieur in Köthen), Rolf Ziller (Lehrer in Naumburg) und Rainer Gummelt (Wirtschafts-Journalist bei der Mitteldeutschen Zeitung).

Was ihm als Athlet nicht vergönnt war, sollte ihm als Trainer gelingen: der Aufstieg in die Weltelite. Dieser Weg verlief nicht geradlinig. Neben seinem Studium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport (DHfK) in Leipzig spielte Gerhard Böttcher Basketball im Oberliga-Team der Messestadt und sah als Coach in dieser Sportart seine Zukunft. Doch als Manfred Ewald, der mächtige Sportchef der DDR, 1969 in einem Handstreich viele Sportarten von der Förderung ausschloss, war es um den Basketball geschehen. Der zweite Tiefschlag für Böttcher.

Er erinnert sich: "Niedergeschlagen ging ich mit meiner hochschwangeren Frau die Dammkrone des Leipziger Zentralstadions entlang. Ich begegnete dort dem bekannten Leichtathletik-Trainer Horst Gröschel aus Halle. ,Hast du eine Stelle für mich?´, fragte ich ihn." Es klappte. Zuerst als Assistent an der Seite von Lothar Hinz, war Gerhard Böttcher ab 1975 für die Diskuswerfer und Kugelstoßer beim SC Chemie Halle zuständig.

Seiner Hartnäckigkeit war es zu verdanken, dass sich Kugelstoßerin Helma Knorscheidt bis zur Vizeweltmeisterin 1983 in Helsinki vorkämpfen konnte. "Unter einer Größe von 1,80 Metern sollte kein Wurfathlet zum Club kommen. Helma maß aber nur 1,75 Meter. Ich habe sie dennoch aus dem Saalkreisort Nauendorf geholt", berichtet der Trainer.

Seine Musterathletin wurde aber Ilke Wyludda, die mit dem Diskuswurf-Gold 1996 in Atlanta den Olymp bestieg. Gerhard Böttcher ist seit 1991 Bundestrainer für die deutschen Diskuswerferinnen und war in gleicher Funktion von 1992 bis 2001 auch für die Männer um Lars Riedel zuständig. Außer Welt- und Europameistertiteln erkämpften von ihm betreute Sportler noch weit mehr als 30 internationale Medaillen.

Neben seinen Athleten ist für Gerhard Böttcher die Wurfanlage in Halles Brandbergen der Stolz. "Von solch einem Wurfzentrum hätten wir früher nur träumen können. Es ist einzigartig in der Welt", sagt er. Die Gegend ist ihm bestens vertraut. Als Kind wuchs Gerhard Böttcher nur 500 Meter von der Wurfwiese entfernt auf. Ohne zu ahnen, dass sie einmal sein zweites Zuhause werden würde.