50 Jahre Sportschulen 50 Jahre Sportschulen: Der Mozart aus der Friesenstraße
Dresden/MZ. - Die Urkunde vom Juli 1960 ist schon reichlich vergilbt. Trotzdem holt sie Jürgen Commichau noch immer gern hervor. Ein für die damalige Zeit unvermeidbarer Spruch von Wilhelm Pieck nimmt ein gutes Drittel des Blattes ein, von willensstarken, kräftigen und lebensfrohen Men-
schen ist da die Rede. Und irgendwie trifft das ja doch auf Jürgen Commichau zu. "Ehrgeiz und Enthusiasmus", diese beiden Worte ziehen sich wie ein roter Faden durch das bewegte Leben des heute 62-Jährigen.
Die Leichtathletik war seine Jugendliebe, auch wenn es zu nationalen oder gar internationalen Ehren nie gereicht hat. "Andere waren eben besser", gesteht er sich ein. Trotzdem: Handgestoppte 11,3 Sekunden über 100 Meter oder 6,33 Meter im Weitsprung können sich sehen lassen. Für dritte Plätze bei verschiedenen Jugendmeisterschaften gab's die "Pieck-Urkunden" für einen der ersten Absolventen der Sportschule in Halle, die damals, zwischen 1957 und 1961, noch ihr Domizil in der Friesenstraße nahe am Steintor hatte.
"Ich denke gern an die vier Jahre in der Friesenstraße zurück. Da ich jeden Morgen mit der Eisenbahn von Dölau zur Schule fuhr, lernte ich nie die Freuden und Leiden des Internatslebens kennen", fällt Commichau zu diesem Lebensabschnitt ein. Beizeiten war ihm klar, dass er es als aktiver Sportler wohl kaum zu Medaillenehren bringen würde, also deutete für den Schüler der Abiturklasse 12 B des Jahres 1961 alles auf einen anderen Weg hin: Sportlehrer oder Trainer.
"Doch das Leben hält manchmal Überraschungen bereit", sagt Commichau, der mehr aus einer Laune heraus noch als Sportschüler anfing, privaten Gesangsunterricht zu nehmen. "Dabei stand im Fach Musik nur ein ,Genügend' auf dem Zeugnis, weil der Musiklehrer oft Liedtexte abfragte. Und die hatte ich meistens schlecht gelernt", schmunzelt Commichau heute.
Die eher mäßige Musiknote war dennoch kein Hindernis für Commichaus künstlerische Laufbahn. Das Schulterklopfen für seine ersten Auftritte auf Schulveranstaltungen (Einstandslied: "Als Büblein klein an der Mutterbrust") machte Mut, so sehr, dass er nach dem Abitur am Konservatoriumin Halle und später an der Musikhochschule Kurs auf das Theater, genauer die Oper, nahm. Erste Station war gleich das Deutsche Nationaltheater in Weimar, es folgten Engagements in Döbeln, Frankfurt an der Oder und seit 1977 an der Sächsischen Staatsoper Dresden. Der Notar im "Rosenkavalier", der König Dankwart in den "Lustigen Nibelungen" wurden Paraderollen, ebenso der Guglielmo in Mozarts "Cosi fan tutte". Damit verbindet sich ein unvergessliches Erlebnis: "Am 28. Januar 1985 habe ich damit die erste Vorstellung in der neuen Semperoper bestritten. Im Publikum saßen ausschließlich Bauarbeiter." Gastspiele führten ihn dann auch in den Westen, nach Hamburg und Lausanne.
Mit Geduld und Ausdauer, Training und ständigem Üben ist Commichau auf der Erfolgsleiter in der Kunst angekommen. "Sachen, die ich auf der Sportschule gelernt habe", sagt Commichau, der auf die Frage nach aktivem Sporttreiben passen muss. "Aber ich will schon jedes Wochenende wissen, wie der HFC gespielt hat."