50 Jahre Fußball-WM 1954 50 Jahre Fußball-WM 1954: Aufbruch aus dem Abseits
Halle/MZ. - 4. Juli 1954. Bern. Wankdorf-Stadion. Deutschland schlägt im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft den haushohen Favoriten Ungarn mit 3:2. Der völlig unerwartete Sieg stürzt das Land in einen kollektiven Freudentaumel. Die Deutschen feiern den Titel wie eine nationale Wiedergeburt in der schweren Nachkriegszeit. Armut, Not, Schuldgefühle beherrschen damals die Menschen. Der Fußballsieg gibt ihnen lang vermisste Glücksgefühle und Hoffnung. Und das Wunder von Bern löst Aufbruchstimmung im gesamten Land aus.
Das Radio war damals das wichtigste Medium. Millionen in Ost und West saßen an diesem frühen Sonntagabend vor den Rundfunkempfängern. Die Reporter Herbert Zimmermann aus Hamburg für die ARD und Wolfgang Hempel aus Erfurt für Radio DDR übertrugen aus dem regennassen Stadion das Endspiel; der eine voller Emotionen, der andere durchdie Parteiführung schaumgebremst sachlich-nüchtern.
Zimmermann sprudelte förmlich über: "Die Ungarn erhalten einen Einwurf zugesprochen. Der wird ausgeführt, kommt zu Boszik. Aus. Aus. Aus. Aus. Das Spiel ist aus. Deutschland ist Weltmeister, schlägt Ungarn mit 3:2 Toren im Finale in Bern."
Dem armen Hempel haben sie später an seinem Haus die Scheiben eingeworfen, weil er das Finale furioso mit diesen Worten kommentierte: "Gleich ist es so weit, der Einwurf kommt zurück noch einmal zu Buzansky, Buzansky flankt. Der Schlusspfiff, Schlusspfiff, Schlusspfiff im Berner Wankdorf-Stadion. Das Unvorstellbare ist passiert. Die westdeutsche Nationalmannschaft wird Fußball-Weltmeister 1954 im Endspiel gegen Ungarn. Die ganze Fußballwelt steht Kopf."
Die Fans im Osten hatten dem anerkannten Fachmann jahrelang nicht verziehen, dass er keinerlei Begeisterung für die deutsche Elf zuließ. Die Medien in der DDR waren trotzdem hin- und hergerissen wie der legendäre Fernsehreporter Rudi Michel, der später fünf WM-Endspiele übertrug, in seinem Buch "Deutschland ist Weltmeister" feststellte.
Der Berliner "Vorwärts" berichtete so: "Teile der westdeutschen Zuschauer, die sich einen 14-tägigen Urlaub in den Schweizer Hotels leisten konnten, sind zu borniert, als dass sie begreifen könnten, dass dieser Ball in der 84. Minute weder eine Welt einstürzen lässt noch die Situation des westdeutschen Imperialismus verbessert."
So weit ging nicht einmal Karl-Eduard von Schnitzler ("Sudel-Ede" - "Der schwarze Kanal"). Der spätere Chefkommentator meinte im Deutschlandsender: "Welchen Deutschen erfüllt es nicht mit ehrlicher Freude, dass es einer deutschen Mannschaft gelungen ist, den Sieg davon zu tragen. Wir Deutsche dürfen auf Herbergers Elf stolz sein."
Die hallesche SED-Zeitung "Freiheit" feierte am Tag danach "In 90 Minuten eine Weltsensation" und beendete den ausführlichen Spielbericht mit dem Satz: "Auch unsere Glückwünsche der westdeutschen Elf zu diesem großen Erfolg."
Rund um das "Wunder von Bern" gibt es nahezu endlose Geschichten. In den nächsten Wochen wird die MZ die Geschichten der elf deutschen Helden vom Finale in Bern und vom "Chef", Bundestrainer Sepp Herberger, erzählen.
Autor Hartmut Scherzer hat dazu die alten Wirkungsstätten der Weltmeister besucht, mit Freunden, Bekannten und Verwandten gesprochen und natürlich auch die drei noch lebenden Horst Eckel, Ottmar Walter und Hans Schäfer befragt.
Darüber hinaus sollen auch Sie, liebe Leser, zu Wort kommen. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Ihre Erinnerungen an das Jahrhundertspiel schildern. Das können bei den Älteren eigene Erlebnisse rund um den Endspieltag und das Finale sein, aber auch Texte oder Fotos von Jüngeren, die die Geschichte von Eltern oder Opas weitererzählt bekommen haben.
Wie haben Sie den Tag des Endspiels vor 50 Jahren erlebt?
Was hat er bei Ihnen, Ihrer Familie, bei Bekannten bewirkt?
Die besten Geschichten und Fotos werden veröffentlicht.
Es gibt zehn Bücher zum Thema "Das Wunder von Bern" zu gewinnen und als Hauptpreis eine Reise für zwei Personen zum Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Brasilien am 8. September im Berliner Olympiastadion.