Kanuslalom Stefan Henze aus Halle: Kanute feiert Comeback in Rio - als Trainer
Rio/Halle (Saale) - Die Situation ist neu. Trotz aller Vertrautheit. Was Stefan Henze gerade in Rio de Janeiro erlebt, kann er nur schwer in Worte fassen. Der Hallenser steht am Ufer im Deodoro Olympic Parc und schaut sich das geschäftige Treiben auf dem Wildwasser an. „Früher, also als Sportler, da habe ich immer gewusst, ob es gut laufen wird oder nicht. Dieses Gefühl fehlt mir gerade“, sagt der 35-Jährige.
Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte Henze mit seinem Zweiercanadier-Partner Marcus Becker das Weltniveau in seiner Kanuslalom-Disziplin mitbestimmt - und dann die Seiten gewechselt. Mittlerweile trainiert er die deutschen Kajak-Frauen. Bei dem Wettkampf im Zeichen der Ringe hat er mit Melanie Pfeifer eine Athletin dabei, die an diesem Donnerstag ganz vorn einkommen kann.
Nahtloser Übergang für Stefan Henze
Hätte er das 2004, als er selbst bei den Spielen in Athen zu Silber gepaddelt war, für möglich gehalten? „Nein“, sagt er nach kurzer Überlegung. Obwohl er ja zu der Zeit mit seinem Sportstudium in Halle begonnen hatte und daher wusste, dass er später einmal als Trainer seine Brötchen verdienen würde. Aber so schnell? So nahtlos?
Vor vier Jahren in London wollte Henze selbst noch einmal angreifen, war aber mit Becker in der Qualifikation an seinem Bruder Frank und dessen Leipziger Partner David Schröder knapp gescheitert. In dem Jahr zogen beide einen Schlussstrich unter das Kapitel „Aktiver im Hochleistungssport“.
Das Verlangen, selbst noch einmal in das Boot zu steigen und sich mit den Besten der Welt zu messen, hat er Stefan Henze auch nicht mehr. „Einmal im Jahr bei den German Masters machen Marcus und ich noch einen Wettkampf, und auf den freuen wir uns auch, vor allem, weil wir dann viele Leute aus unserer Zeit wiedersehen“, sagt Henze, „doch das reicht mir.“ Klar zählt in seiner Sportart die Erfahrung. Und mit einem Russen ist in Rio auch ein Kanute im Wettbewerb, der genauso alt ist wie Henze jetzt. Doch diese Zahlenspiele interessieren ihn nicht. Er habe gespürt, „dass es vorbei ist“.
Doch er ist natürlich sehr nah dran an den Athleten. „Ich stelle mir die Fahrlinie der Sportler auf dem Wasser vor“, erzählt er, „und ich kann mich auch ganz gut in die Athleten hineinversetzen.“ Das hilft ihm bei seiner Arbeit.
Heute sieht er allerdings auch manches anders. „Als Athlet kriegst du überhaupt nicht mit, wie groß der Aufwand, das ganze Drumherum bei Olympia ist.“ Jetzt ist er selbst ein Rädchen in der gut funktionierenden Maschinerie, weiß die ganze Arbeit zu schätzen.
Stefan Henze und Christian Käding in Rio dabei
Übrigens hilft ein weiterer Hallenser mit dabei, die Slalomkanuten auf Kurs zu bringen. Christian Käding ist einer der zwei Trainingswissenschaftler in Rio. Er zeichnet den Wellentanz der DKV-Sportler durch den Stangenwald auf, analysiert die einzelnen Etappen und teilt seine Erkenntnisse dann den Trainerkollegen wie Stefan Henze mit. Die wiederum ziehen entsprechende Schlussfolgerungen daraus für die Arbeit mit ihren Athleten. Henze und Käding sind ein eingespieltes Team.
Gefragt nach dem Unterschied zwischen Olympia als Sportler und Olympia als Trainer weiß Stefan Henze noch eine Antwort. Nicht alle aus dem Betreuerstab haben zu der Eröffnungsfeier mit ins Stadion gedurft. „Weil das Kartenkontingent begrenzt war, haben wir uns das Ganze gemeinsam im Deutschen Haus angesehen“, erzählt er. Gleich nach dem Abschluss der Kanuslalom-Wettbewerbe wird er am Freitag auch schon mit den Trainern zurückfliegen, während die Athleten noch bleiben und sich Wettbewerbe anschauen können.
Eines allerdings hat er sich gegönnt: Der Kanuslalom-Weltmeister von 2003 hat Paul Biedermann, Halles Schwimm-Weltmeister von 2009, angefeuert. Weil die Schwimmer zu nächtlicher Stunde ihre Finals austrugen, ließ Henzes Zeitplan den Abstecher zu.
Heute Finale seines Schützlings
An diesem Donnerstag wird es auch für seinen Schützling ernst. Die Anspannung nimmt zu, das merkt auch der Trainer. Henzes ruhige, besonnene Art, die ihm schon als Sportler enorm geholfen hat, ist ihm auch jetzt wieder sehr hilfreich. „Es war nervenaufreibend“, sagt er über die Vorläufe von Melanie Pfeifer. Nun hofft er einfach mal, dass es gut weiterläuft.
Auch wenn ihm sein Gefühl da gerade überhaupt keinen Aufschluss gibt. Jetzt kann Stefan Henze nur noch tatenlos zugucken. (mz)