Vor Olympia in Paris „Zielscheibe“ in Lille: Basketballer erkämpfen sich Respekt
Ein Sieg in Frankreich und ein großes Spiel gegen die US-Startruppe: Deutschlands Basketballer sind rechtzeitig vor Olympia auf Temperatur. Dem Kapitän wird eine besondere olympische Ehre zuteil.
London - LeBron James stand komplett verschwitzt und erschöpft in den Katakomben, als er nach dem Basketball-Spektakel vom Weltmeister schwärmte. „Wir wussten, dass sie ein sehr harter Test für uns werden. Deutschland ist seit drei Jahren in dieser Besetzung zusammen. Wir alle haben bei der WM gesehen, was sie drauf haben“, sagte der 39 Jahre alte Superstar, der die USA in London mit einem Kraftakt vor einer weiteren Niederlage gegen Deutschland bewahrte. „Wir lieben diesen Wettkampf.“
„Jemand namens LeBron James“
Unmittelbar vor Beginn der Olympischen Spiele war das 88:92 nach einer packenden Partie eher ein weiterer Mutmacher. Das Duell auf Augenhöhe erinnerte merklich an Abu Dhabi im Vorjahr, als Deutschland die WM-Generalprobe ebenfalls knapp gegen das US-Starteam verlor - drei Wochen später war das Team von Gordon Herbert Weltmeister. „Wir haben gut gespielt - dann hat jemand namens LeBron James am Ende ein paar Punkte erzielt“, beschrieb der Bundestrainer salopp.
Wenn es für Deutschland am Samstag (13.30 Uhr) in Lille gegen Außenseiter Japan losgeht, ist eine weitere Medaille absolut in Reichweite. Der deutsche Olympia-Fahnenträger Dennis Schröder und Jungstar Franz Wagner führen das Team wie gewohnt an, die Rollenspieler um Dreierspezialist Andreas Obst und Moritz Wagner sind ebenfalls rechtzeitig in Form gekommen.
„Wir nehmen viel Gutes mit aus diesem Spiel. Wir haben noch mehr im Tank“, sagte Obst, der fünf Dreier verwandelte und wie im WM-Halbfinale im Vorjahr die US-Basketballer begeisterte.
Weg zur Medaille noch härter als bei der WM
In Lille, wo die Vorrunde steigt, sowie danach in Paris endet auch die kurze Ära von Chefcoach Herbert, der den Deutschen Basketball Bund (DBB) nach Olympia verlässt. Auf EM-Bronze und den goldenen WM-Coup soll eine dritte Medaille in drei Jahren folgen. Doch das dürfte noch härter werden als in der Vergangenheit.
Die USA haben nicht nur US-Fahnenträger James, Stephen Curry und Anthony Edwards als Superstars dabei, sondern auch Kevin Durant, der in London wegen einer Wadenverletzung nicht spielte. Das Aufgebot ist nicht nur deutlich namhafter, sondern auch stärker. Auch Frankreich mit Supertalent Victor Wembanyama, Griechenland mit Giannis Antetokounmpo, der WM-Zweite Serbien mit Nikola Jokic sowie Kanadas NBA-Ensemble sind reif für eine Olympia-Medaille.
Kompliziertes System bei Olympia
„Es wird jedes Spiel extrem schwierig. Ich freue mich einfach drauf. Es wird eine coole Competition. Ich freue mich sehr“, sagte Franz Wagner. Ein Weiterkommen in der Gruppe mit Japan, Brasilien und Frankreich gilt allerdings als Pflicht. Ab dem Viertelfinale ist durch ein kompliziertes Rechen- und Lossystem alles möglich - auch ein schnelles Wiedersehen mit den USA um James, der sein Team vor zwei Pleiten in London bewahrte. Beim 101:100 gegen Südsudan war es sogar noch enger.
Auch die Rolle der Deutschen wird sich als Weltmeister ändern. „Wir haben jetzt die Zielscheibe auf dem Rücken, wir sind jetzt die Gejagten. Einfach wird es nicht, aber wir haben auf jeden Fall die Qualität, um das selbst bestimmen zu können“, schilderte Obst einst zur neuen Situation.
Starkes Feld, namhafte Gegner und die K.-o.-Runde? Das alles war Coach Herbert zunächst egal. Er wollte auf Nachfrage in London nicht einmal etwas zum zweiten deutschen Gegner Brasilien sagen. „Unser Fokus liegt zu 100 Prozent auf Japan“, sagte der 65 Jahre alte Kanadier.
James: „Wir brauchen diese Tests“
Ob Deutschland am Tag vor dem ersten Spiel in Lille der Eröffnungsfeier in Paris beiwohnt, war offensichtlich bis zur Anreise nach Frankreich noch ungeklärt. „Wir sehen das alle sehr, sehr ähnlich. Das gehört zu dem Besonderen dazu. Wir müssen uns noch entscheiden und das ausdiskutieren“, sagte Franz Wagner am Montagabend bei ProSieben.
Sehr dafür sprechen dürfte, dass Schröder die Fahne trägt, nachdem er sich gegen Tennis-Star Alexander Zverev und Sportschütze Christian Reitz bei der Wahl durchgesetzt hat. „Ich glaube, wenn Dennis Fahnenträger wird, wird die Mannschaft auch geschlossen da hingehen. Die Geschlossenheit ist ein großer Pluspunkt. Da werden sie Dennis nicht im Stich lassen“, sagte Basketball-Vizepräsident Armin Andres der dpa.
Die USA fahren mit einer makellosen Vorbereitungsbilanz von 5:0-Siegen zu Olympia. Vor allem in London wurde das Team mit zwölf NBA-Stars aber deutlich mehr gefordert als gedacht. „Wir brauchen diese Tests. Ich bin froh, dass wir es wieder geschafft haben“, sagte James. Curry fügte an: „Wir haben alle Erfahrungen gemacht. Jetzt geht es darum, auf der großen Bühne die große Leistung zu zeigen. Ich denke, wir sind bereit.“