Tour de Suisse Radprofi Mäder stirbt nach dramatischem Sturz
Der Radprofi Gino Mäder ist tot. Der 26-Jährige erliegt nach einem Sturz seinen Verletzungen. Statt zur sechsten Etappe starten die Kollegen zu einer Trauerfahrt. Die Radsportwelt steht unter Schock.
Chur - Tief erschüttert vom tödlichen Sturz des Schweizer Radprofis Gino Mäder spendeten sich seine Kollegen weinend gegenseitig Trost. Mit einer Gedenkminute und einer Trauerfahrt erinnerten die Radsportler bei der Tour de Suisse am Freitag an den 26-Jährigen, der kurz vor dem Start der sechsten Etappe seinen schweren Verletzungen vom Vortag erlegen war.
Die Nachricht vom Tod Mäders schockte seine Teamkollegen von Bahrain-Victorious und die Radsportwelt. Mäder war am Donnerstag bei der fünften Etappe mit hohem Tempo in eine Schlucht gestürzt und musste reanimiert werden.
„Wir sind durch den Verlust unseres außergewöhnlichen Fahrers, Gino Mäder, am Boden zerstört. Sein Talent, seine Hingabe und sein Enthusiasmus waren eine Inspiration für uns alle“, sagte Team-Manager Milan Erzen. Am Freitagvormittag um 11.30 Uhr sei Mäder an seinen schweren Verletzungen gestorben. „Unser gesamtes Team ist erschüttert über diesen tragischen Unfall, und unsere Gedanken und Gebete sind bei Ginos Familie und seinen Angehörigen in dieser unglaublich schwierigen Zeit“, teilte Bahrain-Victorious mit.
Bahrain-Victorious steigt aus
Mäders Teamkollegen um den Deutschen Nikias Arndt erinnerten am Nachmittag gemeinsam mit den anderen Radprofis bei einer Gedenkfahrt an ihre Kollegen. Diese fand über die letzten 30 Kilometer der zuvor kurzfristig abgesagten sechsten Etappe statt. Radprofis unterschiedlicher Teams lagen sich gegenseitig in den Armen und trösteten sich. Auf einer großen Werbetafel stand „Gino, we ride for you“. Im Gegensatz zur sonst üblichen Stimmung bei Radrennen herrschte meist Stille am Straßenrand. Teilweise klatschten Passanten.
Mäders Team Bahrain-Victorious zog sich von der Tour de Suisse zurück. „Wir sind alle erschüttert. Keiner ist in der Lage, aufs Rad zu steigen“, sagte der Sportliche Leiter Enrico Poitschke der „Bild“-Zeitung. „Er war nicht nur ein extrem talentierter Fahrer, sondern auch eine großartige Person abseits des Rads“, sagte Team-Manager Erzen über Mäder.
Der 26-Jährige war am Donnerstag auf der Abfahrt vom Albula-Pass zum Zielort La Punt zu Fall gekommen, in eine Schlucht gestürzt und schwer verletzt worden. Beim Eintreffen der Rettungskräfte lag Mäder einer Mitteilung zufolge reglos im Wasser. Er musste anschließend wiederbelebt werden und war in eine Klinik in Chur geflogen worden.
Schock und Trauer
Zahlreiche Radprofis reagierten fassungslos auf die Nachricht. „Ich kann nicht glauben, was ich hier lese. Was für ein trauriger, trauriger Tag“, schrieb der britische Profi Geraint Thomas bei Twitter. Auch die Rad-Superstars Tadej Pogacar aus Slowenien und der Belgier Wout van Aert drückten in den sozialen Netzwerken ihr Beileid aus. Auch Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, bekundete sein Mitgefühl.
Mäder galt als Kletterspezialist. Zu seinen größten Erfolgen gehörten Etappensiege beim Giro d'Italia und bei der Tour de Suisse 2021. Bei der Schweizer Rundfahrt, dem Vorbereitungsrennen für die Tour de France, war am Donnerstag auch der Amerikaner Magnus Sheffield gestürzt und wurde ebenfalls ins Krankenhaus gebracht. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und Prellungen.
Nach Informationen des Schweizer Fernsehens ermitteln zudem die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei Graubünden zu den Ursachen des Sturzes von Mäder. Im Radsport kommt es immer wieder zu schweren Verletzungen infolge von Stürzen. Mehrere Profis kamen schon bei Unfällen ums Leben. 2016 starb etwa der belgische Profi Antoine Demoitié an den Folgen einer Kollision mit einem Begleitmotorrad, 2019 überlebte der belgische Radprofi Bjorg Lambrecht einen Sturz auf der Polen-Rundfahrt nicht.
Debatte um Sicherheit
Der Tod Mäders dürfte daher auch wieder eine Debatte um die Sicherheit von Radprofis eröffnen. „So ein Sturz kann passieren, aber man provoziert das mit so einer langen und gefährlichen Abfahrt kurz vor dem Ziel“, kritisierte Ex-Profi Tony Martin in der „Bild“.
Ralph Denk, Teamchef des deutschen Spitzenteams Bora-hansgrohe, sagte der Zeitung: „Der Unfall hat nichts damit zu tun, dass das Ziel kurz danach kam. Der Pass war der erste des Tages. Die Fahrer hinten gehen oft größeres Risiko als die, die um den Sieg fahren. Und für Gino ging es um nichts mehr, weder in der Tages-, noch der Gesamtwertung. Das macht es noch tragischer.“
Zu den Fahrern, die wegen der Streckenführung Kritik an den Organisatoren übten, zählte auch Weltmeister Remco Evenepoel aus Belgien. Es sei keine schlaue Idee gewesen, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren, sagte der 23-Jährige nach Angaben der Schweizer Zeitung „Blick“. „Aber man braucht offenbar immer noch mehr Spektakel. Es muss wohl einfach etwas passieren, damit man reagiert“, sagte Evenepoel.