American Football „Nervös bin ich nicht“: St. Brown vor wichtigstem NFL-Spiel
Als die Detroit Lions Amon-Ra St. Brown die Tür zur NFL öffneten, war der Deutsche erleichtert, aber nicht begeistert. Drei Jahre später dominiert er in der Liga - und färbt sich die Haare.
Detroit - Die blauen Haare von Amon-Ra St. Brown sind das sichtbare Zeichen für die unerwartete Liebesbeziehung zwischen dem besten deutschen NFL-Profi und den Detroit Lions. Das wissen auch seine Gäste beim bisher wichtigsten Spiel der Karriere.
27 Karten hat der Sohn einer Leverkusenerin und eines ehemaligen Bodybuilders aus dem Großraum Los Angeles für das Playoff-Duell mit den Tampa Bay Buccaneers bestellt. Vier der mit Tickets Beschenkten fliegen extra aus Deutschland ein, um am Sonntag (21.00 Uhr MEZ) für die Divisional Round in Detroit dabei zu sein.
„Da merkt man natürlich, dass es etwas Besonderes ist. Nervös bin ich aber nicht“, sagte St. Brown der Deutschen Presse-Agentur. Das ist nicht seine Art. Er hat inzwischen oft genug bewiesen, dass er auf gehobenem NFL-Niveau spielen kann. Zehn Touchdowns gelangen ihm in der Hauptrunde, nach Pässen sammelte er mehr als 1500 Yards - Spitzenwerte, die ihm die Wahl in die Mannschaft der Saison brachten.
Detroit Lions nich nie beim Super Bowl dabei
Dass St. Brown sich so wohl fühlt in dieser um diese Jahreszeit so kalten Industriestadt und inzwischen zu den Kapitänen zählt, war nicht abzusehen, als ihn das Team im Frühjahr 2021 beim NFL-Draft in der vierten Runde auswählte. Umringt von nur noch wenigen Freunden am Morgen nach der eigentlichen Party kullerten bei dem Footballer zwar Tränen - allerdings eher vor Erleichterung denn vor Freude. Viel später als erhofft hatte er es in die Liga geschafft. Aber die Lions waren eben auch das schlechteste Team der Liga. Als nur eine von vier Mannschaften waren die Lions noch nie in einem Super Bowl dabei.
Als das Team ihn damals auswählte, hatte es zuletzt 1992 ein Playoff-Spiel gewonnen. Quarterback Matthew Stafford ging weg, um endlich bei einem anderen Team die Chance auf Siege zu bekommen. Und nun? Warfen die Lions jenen Matthew Stafford mit den Los Angeles Rams am vergangenen Wochenende aus den Playoffs, holten den ersten Sieg seit 32 Jahren und sind nur noch zwei weitere Siege vom Einzug in den Super Bowl entfernt.
Er habe schon in seinem ersten Jahr gemerkt, dass sich mit dem damals neuen Cheftrainer Dan Campbell und Jared Goff als Quarterback - der im Tausch für Stafford von den Rams gekommen war - etwas entwickeln könnte, sagte St. Brown im Rückblick. „Jetzt möchte ich mit keinem anderen Team mehr tauschen. Ich fühle mich sehr wohl hier.“
St. Brown ein entscheidender Faktor bei den Lions
Schon als kleiner Junge stand St. Brown mit seinen beiden älteren Brüdern in der Garage und trainierte mit Gewichten und Papa John als Coach. St. Brown spricht neben Englisch und Deutsch auch Französisch, hat an der University of Southern California eine gute Ausbildung abseits des Football-Feldes genossen und im Gegensatz zu vielen US-Amerikanern schon als Kind Reisen nach Europa unternehmen können, um die Großeltern in Deutschland zu besuchen. Dennoch trägt er die Haltung eines Außenseiters in sich, der es allen beweisen muss - und passt damit hervorragend zu den Lions.
Cheftrainer Dan Campbell wurde zu Beginn mindestens belächelt, oft auch ausgelacht für seine offensive Art und den Anspruch, aus den Lions ein Gewinnerteam zu machen. In der ersten Saison dauerte es bis zum zwölften Spiel, bis es einen Sieg gab. In der zweiten Spielzeit gab es sechs Pleiten in den ersten sieben Partien - und dann acht Siege in den restlichen zehn. Etwas hatte sich gedreht - und St. Brown war als gefährlichster Receiver des Teams ein entscheidender Faktor. Die Hauptrunde dieser Saison beendete Detroit mit zwölf Siegen und holte sich den Divisions-Sieg.
„Wenn du nicht diese mentale Härte hast, diese Widerstandsfähigkeit auch gegen dich selbst, dann bist du nicht in der Lage, hier zu spielen“, sagte Campbell am Mittwoch zu seinen drei Jahren in Detroit. „Unsere Jungs glauben das. Unsere Trainer glauben das. Die ganze Organisation glaubt es. Das ist das Fundament dessen, was wir sind.“
16 Passempfänger sind von den NFL-Teams in jenem Draft im Frühjahr 2021 vor St. Brown ausgewählt worden. Der inzwischen 24-Jährige kann jeden Namen auswendig aufsagen, noch immer. Was er sich für den Rest der Saison wünscht? „Den Super Bowl gewinnen.“