Skispringen Mauritius und Mykonos: Erholter Wellinger teilt aus
Andreas Wellinger ist junggeblieben und erfahren zugleich. Die Weltspitze ist für den kritischen Skisprung-Geist so nah wie seit dem Olympiasieg nicht mehr.
Ruka/Ruhpolding - Bevor es wieder ins winterliche Oberstdorf, nach Garmisch oder Skandinavien geht, hatte Andreas Wellinger erst einmal ganz andere Ziele. Im Frühjahr genoss er die Sonne in Mauritius, im Herbst eine kleine Sommerverlängerung auf der griechischen Insel Mykonos. Mit braun gebrannter Haut und großer Gelassenheit widmet sich der Skisprung-Olympiasieger kurz vor dem Saisonstart dem Sport und den Reportern, deren „geballte Power“ ihn darauf hinweist, dass der Winter unmittelbar bevorsteht.
Wellingers Leidensweg war lang, seit dem Gold-Triumph von Pyeongchang 2018 prägten Rückschläge und Verletzungen seine wechselhafte Karriere. Das alles scheint der 28 Jahre alte Bayer aber inzwischen abgeschüttelt zu haben. Zwei WM-Medaillen im vergangenen Winter im slowenischen Planica zeugten von einem großen sportlichen Comeback. Und auch als Typ hat Wellinger wieder jene freche und von Leichtigkeit geprägte Art, die ihn in jungen Jahren besonders auszeichnete.
Wellinger jetzt einer der Arrivierten
Als er auf Youngster Philipp Raimund und dessen Perspektiven angesprochen wird, sagt Wellinger ganz salopp: „Willst du damit sagen, ich bin ein alter Sack?“ Es sei immer wieder gut, wenn die Jungen Druck erzeugen. So sei es bei ihm damals schon gewesen. „Je mehr nachkommt, desto akribischer werden die alten Säcke. Nur so können wir miteinander gewinnen“, schildert Wellinger, der beim Weltcup-Auftakt im finnischen Ruka am kommenden Wochenende zum Favoritenkreis zählt, die Situation.
Wellinger ist jetzt nicht mehr der junge Wilde. Er ist jetzt einer der Arrivierten, eine Art Teamkapitän mit vielschichtigen Erfahrungen. „Er springt auf einem deutlich höheren Level als letztes Jahr. Ich gehe stark davon aus, dass der Andi heuer ein deutliches Wort mitsprechen kann“, sagt Bundestrainer Stefan Horngacher. Der Österreicher geht beim Deutschen Skiverband (DSV) bereits in seine fünfte Saison als Chefcoach. Neben Wellinger sind vor allem der seit Jahren sehr konstante Karl Geiger und Talent Raimund die Hoffnungsträger in diesem Winter.
Wellinger spricht Missstände an
Wellinger hat über die Jahre immer mal wieder an seinem Leben als Profisportler geschraubt. Er zog nach München, ging wieder zurück aufs Land, betätigte sich hobbymäßig mal mehr und mal weniger als Surfer. Beim Skispringen hingegen machte er - Verletzungspausen ausgenommen - unentwegt weiter, vielen Rückschlägen zum Trotz. Doch Wellinger ist inzwischen nicht mehr nur einfacher Athlet, sondern auch eine Art Lautsprecher. Was ihm nicht gefällt, prangert er offen an.
Zu einem möglichen Helmdesign ohne Sponsoren sagt Wellinger: „Ich finde es absolut dämlich. Ich glaube, dass langfristig der Wintersport dadurch kaputtgehen wird.“ Und das, nachdem er zuvor noch gezaudert hatte, wie er bestmöglich diplomatisch antworten könne. Die Diplomatie war dann doch unwichtiger als die klare Kritik. Kein Teamspringen mehr bei Olympia? „Verdammt schade.“ Insgesamt hält der Ruhpoldinger die politischen Machtspiele rund um den Weltverband Fis für „etwas fragwürdig“.
Dass viele Entscheidungen „ganz weit über unseren Köpfen“ getroffen werden, nervt Wellinger zwar. Doch die Athleten scheinen in diesen Themen resigniert zu haben. „Wir sind die, die es ausbaden müssen oder repräsentieren dürfen“, sagte der Skispringer. Gut oder schlecht, spiele dabei „keine Rolle“.