Turn-Weltmeisterschaften Glücksbringer auf der Leine: Dauser turnt um Barren-Gold
Lukas Dauser sieht sich als Perfektionist. Zur Vorbereitung auf das große Barren-Finale bei den Turn-Weltmeisterschaften gehört für ihn auch ein sauberer Glücksbringer.
Antwerpen - Der Glücksbringer hängt erstmal auf der Leine. Zwischen Frühstück und Mittagsschlaf hat Lukas Dauser seiner Wettkampf-Unterhose neue Frische verpasst. „Ich turne immer mit der gleichen Unterhose. Bei so vielen Wettkämpfen ist es nicht ganz hygienisch, wenn man die Unterhose nicht wäscht“, sagt der 30-Jährige am Morgen nach seinem Mehrkampf bei den Weltmeisterschaften in Antwerpen, den er als 16. beendet hatte.
Vor dem großen Barren-Finale am Sonntag hat sich Favorit Dauser noch nicht getraut, die neue Unterwäsche anzuziehen, die er von seiner Frau zum 30. Geburtstag bekommen hat. „Die müssen sich vielleicht mal in einem Bundesliga-Wettkampf bewähren. Das war mir jetzt zu heikel, auf die neue Unterhose zu setzen“, gibt er zu.
Die Unterhose ist über Kritik erhaben
Seit drei Jahren trägt der Unterhachinger in Wettkämpfen den gleichen Schlüpfer - und der Erfolg gibt ihm recht. EM-Dritter 2021, anschließend Olympia-Zweiter in Tokio und auch Zweiter bei den WM im vergangenen Jahr und in Antwerpen in drei Übungen durchgängig Bester an seinem Spezialgerät Barren.
Nachdem Olympiasieger und Weltmeister Zou Jingyuan aus China wegen der Asienspiele auf das Championat in Belgien verzichtet hat, geht Dauser als erster Anwärter auf Gold in den Endkampf. Er selbst aber blendet das aus. „Im Finale sind acht Leute, die besten acht Leute auf der Welt an diesem Gerät. Wir sind alle einen halben Punkt auseinander. Jeder kleine Fehler kann entscheidend sein. Deswegen sehe ich mich in keiner Favoritenrolle“, erklärt der Unterhachinger, der seit vielen Jahren in Halle/Saale lebt und dort bei Hubert Brylok trainiert.
Nach dem Tief kommt die Wende
Auf dem Weg zu den Weltmeisterschaften hat sich Dauser durch ein Tief wieder nach oben gekämpft. Ein Muskelbündelriss in der Schulter im vergangenen Dezember hatte ihn lange am Turnen gehindert. Überdies gab es in dieser Zeit in seinem gewöhnlich wohlgeordneten Privatleben einige Verwerfungen, die ihm zu schaffen machten.
Seine Frau Viktoria ist nach ihrem Zahnmedizin-Studium über die Bundeswehr nach Hannover versetzt worden. „Seit Anfang des Jahres führen wir leider eine Fernbeziehung, was für mich auch eine große Umstellung war, nach zehn Jahren Zusammenleben wieder allein zu leben“, berichtet Dauser und gibt freimütig zu, dann ein für seine Verhältnisse liederliches Leben geführt zu haben. „Ich war undiszipliniert, habe mich schlecht verhalten, schlecht trainiert.“
Die Wende kam nach den Flitterwochen. Er habe sich gesagt, jetzt müsse etwas passieren, sonst sei er weg. Anschließend habe er viel mit seinem Mentaltrainer Bruno Hambüchen gearbeitet, damit „ich wieder zurückfinde zu meinen Tugenden, das ist diszipliniert sein, Gas geben im Training, das ist mit Spaß und Leidenschaft dabei sein“.
Favorit in starker Form
In Antwerpen nun hat Dauser sich leistungsstark wie eh und je gezeigt. „Der Junge ist gut drauf“, sagt Bundestrainer Valeri Belenki. Seine Barren-Übung, die er bereits seit drei Jahren zeigt und verfeinert hat, präsentierte er nahezu tadellos. „Ich versuche, die perfekte Übung zu turnen“, sagt er. Dafür trainiert er nicht nur fleißig. Durch tägliches Meditieren für zehn Minuten am Vormittag befreit er seinen Kopf von Stress und allen Gedanken. „Das ist für mich eine Pause von allem.“
Ein zentrales Element seines Barren-Vortrags ist der sogenannte Tsolakidis. „Aus dem Oberarmhang eine Dreivierteldrehung auf einen Holm mit einer Vierteldrehung zurück in den Stütz“, erklärt Dauser das komplizierte Detail. „Das ist das Herzstück. Das ist eins von den fünf schwierigsten Elementen, die es am Barren gibt. Da muss man körperlich schon fit sein“, sagt er. Turnt er dies sauber, hat Dauser am Sonntag auch beste Chancen, nach seinem Abgang ganz oben auf dem Podest zu stehen.