RBL-Saisonauftakt RB Leipzig: Wie die Bundesliga die Roten Bullen von RBL aufnimmt

Leipzig - Es herrscht eine südländische Atmosphäre Anfang der Woche auf dem Trainingsgelände des Rasenballsport Leipzig. Um 17 Uhr soll die Übungsstunde des Bundesliga-Aufsteigers eigentlich beginnen, die erste nach dem Pokal-Aus gegen Dynamo Dresden am vorigen Sonntag und die erste vor dem Saisonauftakt in Sinsheim gegen Hoffenheim an diesem Sonntag (17.30 Uhr).
Jetzt ist es kurz vor sechs, noch immer sitzen die Spieler bei der Videoanalyse. Heißt es, stört hier aber keinen. Es ist warm, vom Elsterbecken streicht eine Brise Flusswasser herüber. Manche sitzen auf den Schalen der kleinen Tribüne und haben die Augen geschlossen.
"Sagen Sie mal, was ist das hier mit Red Bull?“
Zwischen ihnen läuft ein Schwede durch die Reihen. Staatsfernsehen, er ist wegen Emil Forsberg hier. Forsberg kam vor einem Jahr aus Malmö, was in Schweden immer noch ein Thema ist. Forsberg hätte sonst wohin wechseln können, nach England, Premier League, deutsche Bundesliga ist auch okay, aber zweite Liga? Der Schwede nähert sich einem Reporter und fragt: „Sagen Sie mal, was ist das hier mit Red Bull?“
Zwei Männer drehen sich nach den beiden letzten Wörtern um. Red Bull führt hier eigentlich niemand mehr im Mund, auch wenn das Logo des Vereinsgründers und jetzt offiziellen Hauptsponsors an jeder erdenklichen Stelle sichtbar ist. Machen sie bei Schalke mit Gazprom ja auch nicht, oder beim BVB mit Evonik.
In Leipzig heißt es, man sei RB-Fan oder Rasenballist und RB oder RB Leipzig ist einfach effektiver. Dem Schweden ist das aber das DAS Thema, dann erst Forsberg, zumal beides zusammenhängt und der Wechsel nur so Sinn ergibt. Red Bull ist immerhin eine Weltmarke die jeder kennt, der unter 40 ist und weiß, was Müdigkeit bedeutet.
Und Weltmarken und Fußball – das kennen die Schweden von ihrem traditionellen Blick auf die Premier League – das bedeutet nämlich Potenz und guten Fußball. Und irgendwann immer irgendwie auch Erfolg. Der Schwede jedenfalls hörte dem Vortrag seines Gegenübers mit großem Interesse zu.
RB Leipzig Thema beim Kicker-Talk
Ganz anders sah das bei den Diskutanten des Kicker-Talks am Montagabend aus. Das Fußballfachmagazin hatte einen hausinternen Journalisten, Jan-Henrik Gruszecki, Fansprecher aus Dortmund, Katja Kraus, die frühere Managerin des Hamburger SV, und RB-Sportdirektor Ralf Rangnick zu ihrem Saisoneröffnungsgespräch geladen. Thema: RB. Ziel: Das Sponsoring unter die Lupe nehmen.
Weniger als fünf Minuten nach Beginn war der Disput in vollem Gange. Es wurde polemisiert, angegriffen, verteidigt, als würde man über den Umgang mit der Türkei streiten. Vor allem Rangnick und der Fansprecher verkeilten sich ineinander und stritten mit heißem Herzen über Wohl und Wehe des Leipziger Vereinsmodells.
Es war zum Wegschalten. Nicht, weil die Auseinandersetzung nicht unterhaltsam gewesen ist, sondern weil nichts Neues auf den Talkrundentresen kam. Es wurden die immergleichen Argumente ausgetauscht. Gegen das wettbewerbsverzerrende Geld aus Österreich, für den klugen Umgang damit und dem Recht, sich als Verein gründen zu dürfen. Zumal Fußball und Region: Wie wichtig sei RB für Leipzig und Umgebung.
Watzke: "Das Projekt finde ich nach wie vor zweifelhaft“
Am Ende der vorigen Saison, als RB Leipzig sich dem Aufstieg näherte, hätte man meinen können, dass die Grabenkämpfe rund um den Verein abnehmen würden. Als etwa RB-Verteidiger Willi Orban von den Fans seines früheren Vereins 1. FC Kaiserslautern in ein aufgemaltes Fadenkreuz genommen und übel beschimpft wurde, stellten sich sogar RB-Kritiker wie der vereinslose Trainer Peter Neururer gegen den Krawall.
Jetzt aber geht es wieder von vorne los. Die zweite und dritte Liga hat sich in den vergangenen Jahren am Emporkömmling abgearbeitet, nun ist die erste Liga dran. Und auch in der wimmelt es von Kurven traditionsreicher Klubs, wo die Abneigung gegen Red Bull und seine Fußballfiliale massenhaft zu Hause ist: in Frankfurt, Köln, Dortmund, Hamburg, Darmstadt, Schalke, Mainz, Gladbach, Berlin, Bremen. Zuletzt wiederholte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Montag, dass er sich für die Region freue, aber das „Projekt finde ich nach wie vor zweifelhaft".
Doch es gibt Hoffnung. Im Oberhaus spielen ebenso Klubs wie Ingolstadt, Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim, die vom Geld eines Konzerns oder Mäzens leben. Für RB Leipzig kommt das erste Spiel in Hoffenheim daher vielleicht gerade recht. Die TSG wurde ebenso wie der Rasenballsportverein mit dem Geld nur eines Gebers im Rekordtempo in die erste Liga gehievt. Dort erlebten die Hoffenheimer damals ein Jahr lang, wie es sich anfühlt, geächtet zu sein. Und jetzt: Ist Hoffenheim fast schon Tradition.
Katja Kraus: "So wird es jedenfalls nicht langweilig“
Keine Traditionalist und kein Purist jedenfalls käme auf die Idee, sich an den Sinsheimern noch abzuarbeiten. Darauf darf RB hoffen, auch auf die Umfragewerte, die RB attestieren, dass sich Fußballdeutschland langsam mit ihnen arrangiert. Nicht jede dieser Studie entspricht den gängigen Standards, aber zusammen ergeben sie dennoch ein Bild, gesteigerter Akzeptanz. Und Normalität.
Für RB heißt es deshalb vor dem Start der Liga am Sonntag: Ohren zu und durch. Katja Kraus jedenfalls hat beim Kicker schon mal einen Ausblick darauf ermöglicht, dass es vielleicht nicht mehr lange dauert, und der Großteil der Bundesliga-Republik nimmt RB einfach hin.
Kraus saß zwischen Rangnick und Fansprecher Gruszecki und kam eigentlich kaum zu Wort. Gegen Ende stieg sie aus der Debatte aus und kletterte eine Sichtebene höher. Von dort aus, sagte sie, habe man doch einen vortrefflichen Blick auf RB Leipzig. Und was sie von da aus sähe, das hätte mit dem Übel, um das ihre Nachbarn da gerade stritten, wenig zu tun. Ein neuer Verein, eine neue Region mit Erstligafußball - und ein neues Thema. Katja Kraus war dem schwedischen Fernsehmann im Geiste jetzt ganz nah.
Sie sagte: „Ich verstehe die deutschen Ängste nicht. Immer geht es darum, was man verlieren kann. Aber die Liga gewinnt doch auch mit RB. Jetzt hat sie neben den alten Themen nämlich ein neues. Ist doch gut für alle, so wird es jedenfalls nicht langweilig.“