RB Leipzig RB Leipzig: RB-Kapitän Dominik Kaiser über seine neue Rolle als Ersatzspieler

Leipzig - Ein Kapitän hat viele Pflichten. Bei RB Leipzig vielleicht noch ein paar mehr als anderswo. Dazu gehört auch, mit Sternekoch Thomas Linke über das Menüprogramm der kommenden Wochen zu diskutieren. Das kann dann schon mal länger dauern als veranschlagt. So kommt Dominik Kaiser mit deutlicher Verspätung zum Termin in der RB-eigenen Café Cottaria in der Akademie am Cottaweg.
„Wir haben uns ausgetauscht und auch alles Mögliche gewünscht, und jetzt warten wir mal ab, was uns die Köche dann Gutes anbieten”, sagt Kaiser lächelnd. Der RB-Spielführer nimmt sich dann ebenso wie zuvor ausführlich Zeit für das Gespräch mit den MZ-Reportern Martin Henkel und Ullrich Kroemer, sodass er sogar den Termin bei der Physiotherapie danach sausen lassen muss, um es pünktlich zum Training zu schaffen.
Ein Interview über seine Rolle als Kapitän, den besonderen Geist bei RBL und Kaisers persönliche Situation als aktueller Auswechselspieler.
Dominik, Sie sind als Kapitän der erste Ansprechpartner für Trainer Ralph Hasenhüttl. Wie läuft die Kommunikation zwischen Team und Coach bei RB Leipzig?
Dominik Kaiser: Wir haben in Ralph Hasenhüttl einen Trainer, der jeden in der Mannschaft mitnimmt, der nicht nur den Kapitän als Schnittstelle sieht. Klar, hat ein Trainer auch Spieler, mit denen er öfter kommuniziert. Das variiert je nach Spiel- oder Trainingssituation. Wenn es etwa um die Viererkette geht, sind die Innenverteidiger eher seine Ansprechpartner. Das ist sehr vielfältig und das zeichnet uns als Mannschaft auch aus, weil wir viele, viele Spieler haben, die auf dem Platz Verantwortung übernehmen wollen und auch die individuelle Qualität dazu haben, Spiele zu entscheiden. Aber letztlich steht die Mannschaft über allem. Wer da die Binde am Arm hat, ist letztlich auch egal.
Wird die Kapitänsrolle also überschätzt?
Kaiser: Das Kapitänsamt hat noch immer einen besonderen Stellenwert, und ich freue mich auch, dass mir die Mannschaft vor der Saison wieder das Vertrauen ausgesprochen hat. Aber auf dem Platz stellt keiner plötzlich sein Spiel um, weil er die Binde am Arm hat. Jeder richtet den vollen Fokus auf seine Aufgaben. Das heißt nicht, dass man das Ganze nicht im Blick hat. Aber mit der Kapitänsbinde hat das dann nicht viel zu tun.
Was braucht es denn, um dieses Amt bei RB Leipzig ausüben zu dürfen?
Kaiser: Du musst als Spielführer bestimmte Charakterzüge haben, um das Amt ausüben zu können. Dinge gut auffassen können, ein gutes Gefühl für die Situation haben und wie wir als Mannschaft gerade agieren. Es kommt nicht darauf an, ob der Kapitän extrem laut ist, oder versucht, das Gebilde mit anderen Mitteln zu führen.
Sie haben sich nach dem verlorenen Spiel bei Dynamo Dresden als einziger Spieler nach der Partie gegenüber den Medien geäußert und Verantwortung übernommen. Wann ergreifen Sie intern das Wort?
Kaiser: Natürlich ist man als Kapitän mediales Sprachrohr. Da hat man ein größeres Aufgabengebiet als andere Spieler. Intern sehe ich es nicht als verpflichtend an, dass ich vor jedem Spiel in der Kabine etwas sage. Ich hole mir dann eher mal ein, zwei Spieler zu mir, bei denen ich das Gefühl habe, dass ein paar Worte sinnvoll sind. Bevor die Spiele losgehen, haben wir unseren Spielerkreis, in dem auch ich als Kapitän genau wie andere Spieler mal etwas sagen. Wir sind eine Mannschaft.
Sie interpretieren die Kapitänsrolle eher über Ihr Verhalten als verbal?
Kaiser: Ich mache mir über die Rolle gar nicht so viele Gedanken. Mein Ziel ist es, Tag für Tag im Training voranzugehen, Vollgas zu geben und Vorbild zu sein, sodass auch die anderen mitgezogen werden.
Sie sind immer Vorbild, können sich nie erlauben, mal ein paar Prozent nachzulassen oder sich mal gehen zu lassen.
Kaiser: Ich habe auch nicht vor, mich gehen zu lassen. Würde ich das tun, gäb’s mit Sicherheit zwei, drei andere, die mich darauf hinweisen würden. Aber ich bin jetzt seit viereinhalb Jahren hier: Dieses Problem haben wir bei RB noch nie gehabt, weil wir eine extrem hungrige Mannschaft sind, die sich viel abverlangt und sich selbst fordert – auch aufgrund der hohen Konkurrenzsituation.
Der Leistungswille, den Sie als Kapitän vorleben, und die Homogenität des gesamten Teams scheinen die Grundpfeiler des Erfolgs von RB zu sein.
Kaiser: Wir sind eine junge Mannschaft, in der jeder sehr hohe Ziele verfolgt. Das schweißt auf dem Platz zusammen, schafft aber auch einen ungewöhnlichen Zusammenhalt außerhalb des Platzes. Es ist ein klarer Vorteil, dass wir als Gruppe auch privat gut harmonieren und es zwischen uns allen gut passt.
Ist es schwierig, den Charakter einer Mannschaft auch auf neue Spieler zu übertragen?
Kaiser: Man darf nicht den Fehler machen zu denken, dass es genauso sein muss, wie in der 4. oder 3. Liga. Das waren komplett andere Spielertypen, eine andere Mannschaft. Vergleiche sind da fehl am Platz. Wir haben jetzt neue Charaktere und neue fußballerische Qualität dazubekommen. Der Konkurrenzkampf ist aktuell viel höher als in den unteren Ligen. Jeder will sich auch in der Bundesliga beweisen, will von Anfang an spielen. Dann ist es die Kunst zu vermitteln, dass alle an einem Strang ziehen. Das bekommen wir gerade sehr gut hin, das Trainerteam schafft es, alle bei Laune zu halten und uns Spielern das Gefühl zu geben, dass jeder einzelne seinen Teil dazu beigetragen hat, dass wir aktuell so weit oben stehen.
Es sind zwar andere Typen da, aber den Geist der Aufstiege scheinen Sie konserviert zu haben.
Kaiser: Stimmt, dieser Geist verbindet uns. Wir sind alle zu RB gewechselt, weil wir den Traum hatten, in der Bundesliga zu spielen. Dieser Traum vereint uns, der macht uns richtig stark. Weil die wenigsten Spieler in der 1. Liga Erfahrung hatten, hat uns das vor Saisonstart noch einmal anders zusammengeschweißt, weil wir wussten, dass wir nur gemeinsam konkurrenzfähig sind. Inzwischen wissen wir, dass es mit unserem Spirit gepaart mit der individuellen Qualität auch in der Bundesliga möglich ist, Woche für Woche zu punkten. Das müssen wir genauso beibehalten.
Als Kapitän auf der Ersatzbank, wie beeinflusst das ihre Rolle?
Sie selbst machen nach vier Jahren als unangefochtener Stammspieler erstmals wieder die Erfahrung als Ersatzspieler. Wie beeinflusst das Ihre Rolle im Team?
Kaiser: Bisher überhaupt nicht. Ich verhalte mich am Spieltag oder beim Training genauso wie vor sieben Wochen, als ich noch ziemlich sicher war, von Anfang an zu spielen. Sicher ist es für mich Neuland, weil ich seit viereinhalb Jahren in so gut wie jeder Partie von Beginn an gespielt habe. Und natürlich bin auch ich nicht glücklich darüber.
Wie gehen Sie also mit der Situation um?
Kaiser: Ich bin überzeugt davon, dass ich in den kommenden Spielen auf die Anteile komme, mit denen ich mich identifizieren kann und mit denen ich zufrieden bin. Aber letztlich steht der Teamerfolg über allem. Wir haben nun einmal diesen ausgeglichenen Kader, und es ist wichtig, dass wir so breit aufgestellt sind. Das macht uns als Mannschaft stärker. Ich bin übrigens auch nicht unzufrieden damit, wie es für mich persönlich läuft. Ich bin schließlich nicht komplett außen vor, habe neun von zehn Spielen bestritten.
Aber nur fünf von Anfang an.
Kaiser: Ich werde auch wieder von Anfang an spielen.
Hat Ihnen der Trainer signalisiert, in welchen Situationen, gegen welche Gegner er künftig auf Sie setzt?
Kaiser: Er hat auf allen Positionen sehr viele Möglichkeiten mit ganz unterschiedlichen Spielertypen. Wir sind auf vielen Positionen sehr flexibel aufgestellt. Das macht es ja so unangenehm für unsere Gegner und uns als Mannschaft flexibel und stark. Er hat Woche für Woche die Wahl, wir Spieler müssen ihm die Entscheidung so schwer wie möglich machen. Da gilt es, sich in Position zu bringen und zu warten, bis die Chance wieder kommt, um dann an dem Tag präsent zu sein und eine Topleistung abzurufen.
Welche Ihrer Waffen müssen Sie besonders schärfen, um Argumente auf Ihre Seite zu holen? Die Klarheit im vorletzten Pass, oder die Standards, bei denen ...
Kaiser: ... Luft nach oben ist? Ganz klar, das sind zwei Bereiche, an denen wir arbeiten müssen. Gerade Standards sind ein großes Thema bei uns; da sind wir noch recht weit hinter dem, was wir uns vorgestellt haben und was wir im vergangenen Jahr erreicht haben. Da haben wir aus direkten Freistößen, vor allem aber Ecken viel mehr klare Chancen kreiert. Das ist Woche für Woche Thema, und da bin ich mit in der Verantwortung. Die ruhenden Bälle müssen besser geschlagen werden. Daran will und muss ich weiter arbeiten.
Ihr Vertrag läuft bis 2018. RB Leipzig ist ohne Dominik Kaiser kaum vorstellbar. Ist es für Sie überhaupt denkbar, noch einmal für einen anderen Verein zu spielen, falls die Einsatzzeiten dauerhaft ausbleiben?
Kaiser: Ich fühle mich hier im Verein richtig gut aufgehoben und megawohl. Gedanken darüber, was geschieht, wenn ich die nächsten drei Monate auch nur auf der Bank sitze, mache ich mir nicht. Nochmal: Ich bin überzeugt, dass ich die Qualität habe, mich auch in diesem Kader so zu positionieren und durchzusetzen, dass ich meine Spielanteile bekomme.
Sind Sie eigentlich überrascht von der Leistungsfähigkeit Ihres Teams in diesen ersten Bundesligawochen?
Kaiser: Dass wir nach zehn Spielen ungeschlagen sind, hätte von uns Spielern wohl niemand erwartet. Ich bin nicht überrascht, dass wir auch gegen Teams wie Dortmund mal gewinnen können. Das habe ich uns zugetraut. Aber dass wir unser Spiel so konstant, teilweise souverän und dominant auch in der 1. Liga auf den Platz bringen, das ist schon beachtlich. Jetzt zählt es, sich darauf nicht auszuruhen, sondern weiter dranzubleiben.
Hätten Sie mit mehr Gegenwehr der Konkurrenten gerechnet?
Kaiser: Klar, sind wir auch etwas überrascht, dass bestimmte Teams gegen uns nur zweimal aufs Tor schießen. Das hätte ich nicht erwartet. Aber es ist eben auch unser kompaktes Defensivverhalten, das es den Gegnern schwer macht.
Wie konkret hat Ralph Hasenhüttl den Stil des RB-Spiels in Nuancen verändert?
Kaiser: Er hat uns das Defensivverhalten gerade am Anfang regelrecht eingetrichtert, sodass wir diesbezüglich kein Stück von unserem Weg abrücken. Jetzt hat er gemerkt, dass das gut funktioniert und wir als Mannschaft extrem am Ball bleiben. Das ist unser Grundsockel, darauf bauen wir nun Stück für Stück unsere Qualität mit dem Ball auf. Das hat man in den vergangenen Wochen schon gemerkt. Der Trainer legt den Trainingsschwerpunkt immer mehr darauf, dass wir uns auf engem Raum noch mehr Lösungsmöglichkeiten erarbeiten.
Gibt es ein Spiel, auf das Sie sich in den kommenden Wochen besonders freuen. Zum Beispiel gegen Ihren früheren Lieblingsklub FC Bayern?
Kaiser: Ich war als Kind Bayern-Fan und sympathisiere immer noch mit dem Klub. Wenn sie international spielen, dürfen sie gern gewinnen. Ich habe auch mit Joshua Kimmich nach wie vor ein super Verhältnis und freue mich für ihn, wenn er auf dem Platz steht und Erfolg hat.
Das Spiel in München ist sicher ein Höhepunkt, auf den jeder Fußballer hinfiebert. Aber für uns ist die Bundesliga an sich gerade noch ein einziger Höhepunkt, Woche für Woche. Von daher freue ich mich gerade am meisten auf das Spiel in Leverkusen am kommenden Freitag. (mz)