RBL in Neapel RB Leipzig in Neapel: Warum beiden Teams die Partie ungelegen kommt
Neapel - Leipzig? „Klar“, sagt Carmine Alcidi, alias Bruno. „Lokomotive“, da könne er sich dran erinnern. Uefa-Cup, Saison 1988/89. Die Partie in Neapel: ein 2:0. Das Hinspiel in Leipzig „war ein 1:1, Francini hat getroffen.“
Also doch. Leipzig, Lok, Rasenballsport – irgendwas können die Neapolitaner schon anfangen mit dem Europa-League-Gegner des SSC Neapel an diesem Donnerstag im Stadio San Paolo. Bruno Alcidi jedenfalls. Ihm gehört die Bar Nilo, ein kleines Café in der Via San Biagio dei Librai. Aber was heißt Café?
Erinnerungen an Lok Leipzig in Neapel
Das Nilo ist ein Erinnerungsort für die Geschichte des SSC. Und wenn es um die Geschichte der Società Sportiva Calcio Napoli geht, dann geht es vor allem um diesen einen Spieler: Diego Armando Maradona. Der Argentinier, der 1984 aus Barcelona nach Neapel kam, sieben Jahre blieb und dem zuvor titellosen Verein zu zwei Meisterschaften, einem Pokal, einem Supercup – sowie einem Uefa-Cup verhalf. Und auf dem Weg dahin: das Spiel gegen Lok.
Es steckt also was drin in diesem Sechzehntel-Finale. RB gegen den SSC, das kann man mit Lok und Maradona vernähen. Bruno jedenfalls könnte das. Ihm gegenüber an der Wand hängt ein Foto, das ihn mit „San Diego“ zeigt. Darunter befindet sich ein Tabernakel mit Haaren des „heiligen“ Argentiniers, die Brunos Vater einem Flugzeugsitz entwendet hat, auf dem Maradona saß. Der Sohn, Anfang 60, sieht sich die Partie gegen Leipzig also bestimmt an. Oder? Alcidi zuckt mit den Schultern: „No!“
SSC Neapel: Nur die Meisterschaft zählt
Nein? Nein! Die Europa League ist „ein Hindernis“, sagt Alcidi. Sie steht nämlich dem Scudetto, der italienischen Meisterschaft im Weg, die Neapel in diesem Jahr gewinnen könnte. Der SSC führt mit einem Punkt vor Juventus Turin, es wäre die erste Meisterschaft seit 28 Jahren. Seit 1990, mit Maradona, vor dem AC Milan.
Neapel fällt also aus, um der Partie zwischen dem Tabellenführer der Serie A und dem Zweiten der Bundesliga die Bedeutung zu verleihen, die sie eigentlich verdient hätte. Der Geschichte wegen, weil das Europapokal ist, K.o.-Phase und schließlich kommen beide Vereine direkt aus der Gruppenphase der Champions League.
Bliebe ja aber noch RB Leipzig, vielleicht machen die Sachsen ja was draus. Doch auch bei RB hat man sich entschieden, die Partie zwar mit-, aber nicht ernstzunehmen. Attraktiv sei der Gegner, säuselte RB-Coach Ralph Hasenhüttl vor wenigen Tagen, doch man konnte sich seinen Teil denken, als er ankündigte: „Wir werden uns so teuer wie möglich verkaufen.“
RB Leipzig setzt in Neapel auf seine A-Elf
Der Europapokal kostet nämlich Kraft, Frische und im schlimmsten Fall Siege wie im Anschluss an die Champions-League-Vorrunde, als RB drei Spiele am Stück nicht siegen konnte, Schalke 04 bezwang und danach wieder zwei Partien sieglos blieb.
Es wird in Neapel also kein Hurra geben, eher wohl einen leisen Abgang. Sportdirektor Ralf Rangnick jedenfalls hat angedeutet, wo die Prioritäten liegen. Anfang der Woche im „Kicker“ hob er die Bedeutung der Champions League für die Entwicklung des Klubs hervor. Je öfter sie daran teilnehmen, so Rangnick, umso besser für die Entwicklung des Vorjahresaufsteigers.
Trotzdem: Ehre, wem Ehre gebührt, man muss ja nicht volle Pulle spielen, weshalb Hasenhüttl seine beste Elf stellen wird. Ganz so wie sein Gegenüber will er es dann nämlich doch nicht halten. Neapels Trainer Maurizio Sarri hatte zuvor angekündigt, Stammspieler wie Marek Hamsik und Lorenzo Insigne gegen Ersatzkader zu tauschen. Dries Mertens ist gesperrt. Auch den Einsatz von Torhüter Pepe Reina ließ er offen (siehe „Treffen alter Freunde“).
Mieser Vorverkauf vor Neapel gegen Leipzig
Immerhin muss sich so von den 1.500 Leipziger Fans keiner verschaukelt vorkommen. Die beste Elf, die sich teuer gegen Neapels B-Mannschaft verkaufen will, das klingt zwar nicht wie Maradona gegen Lok Leipzig. Aber immerhin: „Das sind die ersten K.o.-Spiele im Europapokal für RB überhaupt“, sagt Matthias Kießling alias „Rotebrauseblogger“, einer der bekanntesten Chronisten des Vereins. „Außerdem klingt Neapel nach Champions League. Das ist auf jeden Fall was Besonderes.“ Leipzig rückt also in Vorfreude an, das nämlich verspricht auf jeden Fall interessant zu werden: 1.500 gegen unzählige leere Sitzschalen, von den noch keiner sagen kann, wie viele es sein werden. 40.000? 50.000?
„Es werden keine 10.000“
Auf der Via Giordano Bruno befindet sich ein Fanshop des SSC. Drin sitzen Marcello und eine Kollegin. Wie läuft der Ticketverkauf? Marcello hebt die Achseln. „Geht so.“ Wie viele sind schon weg? Er schaut in den Computer. „Insgesamt 8.252.“ Bleibt das so? „Glaube ich nicht, ich denke, 20.000 werden es noch werden.“
Immerhin, das wäre bei 60.000 verfügbaren Sitzen ein Drittel. Aber als Marcello kurz im Hinterraum verschwindet, rückt die Kollegin an den Tresen heran. Sie schaut sich um und senkt die Stimme: „Es werden keine 10.000.“
(mz)