1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. RB Leipzig
  6. >
  7. Blick auf eine bemerkenswerte Karriere: RB Leipzig: Ein Blick auf die bemerkenswerte Karriere des Dominik Kaiser

Blick auf eine bemerkenswerte Karriere RB Leipzig: Ein Blick auf die bemerkenswerte Karriere des Dominik Kaiser

Von Ullrich Kroemer 11.05.2018, 14:03
Letzter Auftritt am Sonntag: Dominik Kaiser verlässt RB Leipzig mit einem Abschiedsspiel.
Letzter Auftritt am Sonntag: Dominik Kaiser verlässt RB Leipzig mit einem Abschiedsspiel. imago sportfotodienst

Leipzig - Als Dominik Kaiser ein letztes Mal die Kapitänsbinde vom Arm streifte, sich die Fans zum Abschlussapplaus erhoben und ein Mitspieler nach dem anderen zu ihm gelaufen kam, kämpfte auch Trainer Ralph Hasenhüttl mit den Tränen.

Die Auswechslung des Publikumslieblings von RB Leipzig beim letzten Bundesliga-Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg war ein Gänsehautmoment. Eine Szene die ebenso haften bleiben wird wie das Bild, als die zehn Jahre jüngeren und 20 Zentimeter größeren Innenverteidiger-Kollegen Dayot Upamecano und Ibrahima Konaté den Routinier vor der Fankurve auf ihre Schultern hoben. Ein Muskel-Thron für den Kaiser.

Kimmich und Zorniger kommen zum Kaiser-Abschied nach Leipzig

Nach sechs Jahren bei RB Leipzig wird der 29-Jährige nun nach dem Saisonfinale bei Hertha BSC mit einem Abschiedsspiel an diesem Sonntag geehrt. Nationalspieler wie Joshua Kimmich kommen ebenso wie sein Förderer Alexander Zorniger und Ex-Kollegen wie Daniel Frahn und Davie Selke. Der gebührende Abschied für einen Spieler, der ikonographisch für all das steht, was RB Leipzig in seiner kurzen Historie erreicht hat.

In 171 Spielen hat der Schwabe das Trikot von Rasenballsport getragen und dabei Einzigartiges geleistet. Als hierzulande einziger Fußballer hat er es mit einem Klub von der viertklassigen Regionalliga bis in die Champions League geschafft – ein märchenhafter Aufstieg. Als Kaiser gegen Besiktas Istanbul eingewechselt wurde und für 16 Minuten in der Champions League auflaufen durfte, vergaßen die meisten im Stadion für einen Moment das bittere Ausscheiden in der Gruppenphase.

„Ich habe in der Jugend nicht von der Bundesliga geträumt“

Doch was macht einen Spieler aus, der sich als einziger Feldspieler so lange in der Leistungsgesellschaft bei RB Leipzig durchsetzen und mit dem rasanten Aufstieg des Klubs Schritt halten konnte, während Dutzende Mitspieler auf der Strecke blieben?

Der Werdegang des Dominik Kaiser ist auch deswegen so bemerkenswert, weil er anders als die meisten Profis heute kein Internats-, sondern ein Bolzplatzfußballer ist. Sport spielte in der fußballbegabten Akademiker-Familie des gebürtigen Mutlangers zwar schon immer eine wichtige, aber keine dominante Rolle.

„Bei uns hatten Schule und Studium immer einen hohen Stellenwert”, erzählt Kaiser im Gespräch mit der MZ im Trainingszentrum am Cottaweg. „So habe auch ich in der Jugend nicht von der Bundesliga oder der Nationalmannschaft geträumt, sondern vieles einfach auf mich zukommen lassen.” In Kaisers geerdetem Umfeld war die Möglichkeit, mit Fußball Geld zu verdienen, lange eher Träumerei als reale Option. „Ich habe mir nie den Druck gemacht, dass ich unbedingt Fußballprofi werden muss”, sagt er.

Unter Markus Gisdol machte Kaiser einen großen Sprung

Seinen langen Marsch durch die Ligen startete der Mittelfeldregisseur bei Oberligist Normannia Gmünd – gehobenes Amateurniveau. Trainer war damals ein gewisser Alexander Zorniger, der Kaiser später bei RB wie kein Zweiter prägen sollte. Für einen sensiblen Spieler wie ihn war der behutsame Aufbau – Level für Level – genau das Richtige. „Mir hat dieser Weg sehr viel mitgegeben, weil ich mich immer wieder neu durchsetzen und behaupten musste”, sagt Kaiser. „Sich Jahr für Jahr in einer neuen Liga zu beweisen, stärkt dich einfach, insbesondere mental.”

In den Dunstkreis des Profifußballs kam er erst 2009 mit 21 Jahren – ein Alter, in dem die Karrieren einiger Wunderkinder des Profifußballs heute schon wieder vorbei sind. In der U23 der TSG Hoffenheim sagte sich der ehrgeizige Kaiser: „Okay, diese Chance will ich jetzt richtig anpacken.” Unter Trainer Markus Gisdol machte er nicht nur fußballerisch den größten Schritt. „Dort habe ich auch einen neuen Leistungsdruck kennengelernt”, erinnert sich Kaiser. „Sich ständig weiterzuentwickeln und am Tag X auch da zu sein und aufzusteigen – das kannte ich so aus dem Amateurfußball nicht.”

In den Trainingseinheiten mit den Erstliga-Profis merkte Kaiser, „dass die Jungs doch nicht so weit weg waren. Das hat meinen Glauben daran bestärkt, dass ich es auch in der Bundesliga schaffen kann.” Der Spätzünder brachte es auf zehn Bundesligapartien für die TSG.

Dominik Kaiser: In der Regionalliga mit Champions-League-Prämie

Wie zielstrebig er an seinem Traum arbeitete, zeigt auch, dass er sich bei seinem Wechsel in die Regionalliga zu RB Leipzig eine inzwischen legendäre Champions-League-Prämie in den Vertrag schreiben ließ. Dass die irgendwann ausgezahlt würde, hielt wohl selbst Sportdirektor Ralf Rangnick für eine kühne Annahme. Als der damalige Mathematik-Student 2012 bei seiner ersten Pressekonferenz neben Kapitän Frahn auf dem Podium saß, hielten ihn einige für einen B-Jugendlichen. Der kindliche Kaiser.

Doch mit dem gewagten Neustart beim Red-Bull-Klub in der vierten Liga reifte er fern der Heimat als Typ. Zorniger, der Kaiser unbedingt wieder im Team haben wollte, „hat mir sehr viel zugetraut und mich auch außerhalb des Feldes immer mehr gefordert, um Verantwortung zu übernehmen”, betont Kaiser. „Das hat mich geprägt, und davon werde ich mein ganzes Leben lang profitieren.”

Die Gegner hießen damals TSG Neustrelitz und Torgelower SV Greif; RB residierte noch nicht in einer noblen Akademie, sondern in einem Containertrakt. Diese Zwischenwelt zwischen Amateur- und Profifußball war damals genau die richtige Arbeitsatmosphäre für ihn. In der beengten und stickigen Container-Kabine habe sich das Team „als Einheit zusammengeschworen”, erinnert sich Kaiser. Und der nur 1,71 Meter kleine Stratege mit dem feinen rechten Fuß wuchs zum Anführer heran. 57 Mal trug er die schwarz-rot-goldene Armbinde für RB – vor allem in der 2. Liga. Seine beste Zeit.

Ein Sofa als Belohnung für Dominik Kaiser

Trotz seines Erfolgs ließ sich Kaiser nicht vom Bling-Bling der Profifußballwelt blenden. Ein bescheidender, bodenständiger, leiser Typ, der keine Statussymbole benötigt. Von seiner Champions-League-Prämie gönnte er sich ein neues Sofa. Das genügte. „Ich bin sicher nicht so drauf, wie ein paar andere Jungs in der Bundesliga. Das will ich auch gar nicht werden”, sagt er. Auch deswegen verehren ihn die Fans.

Sportlich wurde die Luft für Kaiser seit dem Bundesliga-Aufstieg dünner. „Profifußball ist eine Ellenbogengesellschaft, und natürlich wird der Konkurrenzkampf immer größer, je weiter oben man sich bewegt”, sagt er. „Man muss vom Kopf her sehr stabil sein und darf sich nicht so einfach von seinem Weg abbringen lassen.” Doch das „Zutrauen, sich auch auf der nächsten Ebene wieder durchzusetzen”, vermittelte Kaiser im Oberhaus nicht immer. In seiner letzten Saison stand er lediglich 335 Minuten auf dem Platz. Auch beim 4:1 gegen Wolfsburg hinterließ er einen bestenfalls stabilen, doch zu wenig zwingenden Eindruck. Den Nachweis, dass er dauerhaft in die 1. Liga gehört, hat er noch nicht bringen können. Das erste Bundesligator in der RB-Historie gegen Hoffenheim blieb sein einziges Ausrufezeichen im Oberhaus.

Einen neuen Verein kann Kaiser noch nicht nennen. Ein Wechsel zum 1. FC Köln ist ebenso möglich wie eine Rückkehr zu Zorniger (Bröndby Kopenhagen). Sicherer ist: Eines Tages wird Kaiser nach Leipzig zurückkommen. Manager Rangnick hat seinem schlauen und loyalen Musterschüler bereits eine Jobgarantie gegeben. Mit dem Gütesiegel „Klublegende” kann sich Dominik Kaiser dann eine Funktion aussuchen. (mz)