RB-Fans L.E. United RB-Fangruppe L.E. United: "Wenn uns jemand an die Wäsche will schützen wir uns"
Leipzig - Carsten L. (Name v.d. Redaktion geändert) steht an einem Mittwochmorgen am vereinbarten Treffpunkt vor einem Café im Leipziger Zentrum. Der Anfang 50-Jährige, schwarzes T-Shirt, Jeans, nach hinten gegelte Haare, stellt sich als Sprecher der RB-Leipzig-Fangruppierung L.E. United vor.
Seinen richtigen Namen mag er nicht nennen. Er sei selbstständiger Unternehmer, wolle Familie und Firma schützen, sagt er. Doch Carsten L. und die weiteren Mitglieder der neu formierten, inoffiziellen Fangruppe haben Redebedarf; das Treffen mit der Mitteldeutschen Zeitung haben sie selbst initiiert.
L.E. United hatte nach dem letzten Saisonspiel von RBL bei Eintracht Frankfurt für Aufruhr in und außerhalb der Fanszene von RB Leipzig gesorgt. Die MZ hatte berichtet, dass der losen Gruppierung teilweise gewaltsuchende RB-Anhänger angehörten, die vor, während und nach der Partie in Frankfurt Rangeleien und Pöbeleien angezettelt hätten.
Das hatte die aktiven Leipziger Fans „Jungs der Südkurve” bei Facebook öffentlich gemacht und war dieser Zeitung von diversen Quellen bestätigt worden. In der sonst betont friedlichen, gewalt- und diskriminierungsarmen Fanszene von Rasenballsport hatte das für gewaltige Empörung gesorgt. Zumindest war die Aufregung um die ominöse Gruppierung mit schwarzen Fischerhüten mit der Aufschrift „L.E. United” so groß, dass deren Mitglieder nun aus der Deckung kommen und sich rechtfertigen wollen. „Wir können die Vorwürfe so nicht stehen lassen, weil wir dadurch weiteres Konfliktpotenzial innerhalb der eigenen Kurve befürchten”, sagt L.
L.E. United: So sieht die Fangruppe die Vorfälle in Frankfurt
Er ist vorbereitet, hat eine Klarsichthülle mit ausgedruckten Zeitungsartikeln, Fotos, Mails, Whatsappchats und Facebook-Nachrichten mitgebracht. Im Vorfeld des Gesprächs hat er die Mitglieder seiner Gruppe und andere Zeugen ausgiebig befragt – interne Ermittlungen sozusagen. Kern des Vorwurfs war, dass Mitglieder von L.E. United auf dem Rückweg vom Stadion zum Busparkplatz versehentlich ein Kind umgestoßen hätten und daraufhin mit dem Vater und anderen Fans, die zu Hilfe gekommen seien, in eine Rangelei geraten waren. Daraufhin hatten Polizei und Sicherheitsdienst eingreifen müssen.
L. betont nun, dass vieles von dem ursprünglich Berichteten nicht „haltbar” sei. „Fakt ist, dass unsere Leute an dem Handgemenge beteiligt waren. Dass sie aber der Auslöser dafür waren, bestreiten wir entschieden”, sagt er. Der L.E.-United-Sprecher beteuert: „Keiner von uns hat den Vater in irgendeiner Form angegriffen, geschweige denn den Jungen umgeschubst oder sonst irgendetwas.” Das werde von diversen Zeugen bestätigt.
Polizei in Frankfurt ging nicht gegen L.E. United vor
Wie genau es zu dem Handgemenge kam, lässt sich nicht eindeutig rekonstruieren. L.’s Version geht so: Der Vater des kleinen Sohnes, der regelmäßig bei Auswärtsspielen dabei ist, sei bereits während des Spiels angetrunken gewesen, schreiben Fans bei Facebook. Ein L.E.-United-Mitglied schreibt in einer Whatsapp-Nachricht, die der MZ vorliegt, dass der Vater dann nach Spielschluss „die Mädels beschimpft” habe; gemeint sind Frauen aus dem Bus, in dem auch die meisten Mitglieder von L.E. United an- und abreisten. Aufforderung das zu unterlassen hätten den Vater nur dazu veranlasst, auf den Mann von L.E. United loszugehen.
Und die Tumulte vor einer Bierbude am Stadioneingang beschreibt L. so: „Ein Frankfurter Fan wollte einem RB-Fan den Schal ziehen. Das haben wir unterbunden.” Das durchaus robuste körperliche Einsteigen habe auch die Polizei beobachtet, sich aber nur des Frankfurter Anhängers angenommen.
L.E. United tritt nur bei Auswärtsspielen von RB Leipzig auf
Diese Szenen mögen sich so oder etwas anders zugetragen haben, zeigen aber, dass dort, wo es bei diesem generell entspannten Auswärtsspiel Stress gab, auch Mitglieder von L.E. United involviert waren. Das ist kein Zufall und liegt auch im Auftreten und Selbstverständnis der Gruppe begründet.
Carsten L. und andere, die sich zum Teil schon seit Jahren kennen und Mitglieder in diversen großen Offiziellen RB-Fanklubs (OFC’s) sind, nahmen die Übergriffe gegen RB-Fans bei den Auswärtsspielen und Köln und Dortmund zum Anlass, um sich „auswärts organisierter zu präsentieren und auf Derartiges in Zukunft besser reagieren zu können”. Ziel sei es, zusammen zum Stadion zu gehen, dort gemeinsam aufzutreten und geschlossen wieder zum Parkplatz zurückzulaufen.
Machen sich RB-Fans „zur Zielscheibe von Gewalttätern anderer Vereine“?
„Wir wollen in allererster Linie uns selbst schützen und damit auch andere um unsere Gruppe herum”, sagt L. „Es wird weitere Vorfälle dieser Art geben, bei denen es böser ausgehen kann als in Dortmund.” Er warnt: „Viele Fans von RB sind relativ neu im Fußball, denen fehlt die Erfahrung, wie sie sich auswärts zu verhalten haben. Damit machen sie sich zur Zielscheibe von Gewalttätern anderer Vereine.” Und: Inzwischen sei klar, dass einige aggressive Anhänger anderer Klubs „auf gar nichts Rücksicht nehmen. Die versuchen nicht, sich mit ihresgleichen zu messen, sondern die hauen auf Kinder, Frauen und Alte drauf. Dem Problem muss man sich stellen.”
L.E. United will nicht „aktiv Randale provozieren“
In der kommenden Saison hält L. auswärts – gerade auf europäischer Bühne – erneute Attacken auf Fans von RB Leipzig für möglich. „Ich will gar nicht daran denken, was bei internationalen Spielen auswärts auf uns zukommt. Da werden sich einige noch warm anziehen müssen, wenn sie meinen, so unbedacht und naiv auftreten zu müssen wie bisher”, sagt er.
Zwar betont er, dass seine Gruppe keineswegs „aktiv Randale provozieren oder gegnerische Fans angreifen” wolle. Doch: „Wenn uns einer an die Wäsche will und keine Polizei zur Stelle ist, werden wir von unserem guten Recht Gebrauch machen, uns selbst zu schützen. Das kann uns niemand verwehren.”
Fangruppe L.E. United: Wo kommen die Mitglieder her?
Also doch „Blockpolizei”, „Bürgerwehr“ oder „schnelle Eingreiftruppe”, wie andere Leipziger Fans es L.E. United vorwerfen? „Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe an, als Ersatz für den Ordnungsdienst aktiv zu sein”, sagt L. „Aber wir haben in Frankfurt gemerkt, dass Leute aus unserem Bus gerne unseren Schutz angenommen haben.” Doch zumindest führte dieses Selbstverständnis der Fischerhut-Träger bei der Eintracht zweimal zu Handgreiflichkeiten.
L. bezeichnet seine Gruppe, die der MZ von Szenekennern als teils gewaltsuchend, mit „Alt-Hool”-Charakter und zum Teil stark alkoholisiert beschrieben wird, als „sehr heterogene Gruppe”. Klar ist, längst nicht alle treten so reflektiert und verbindlich auf wie der Sprecher. Die meisten hätten „jahre- und jahrzehntelange Erfahrung im Fußball, in Ost- und Westdeutschland, auch auf europäischer Ebene”, sagt L.
Viele Mitglieder haben Erfahrungen mit Gewalt im Fußball gemacht
Einige bewegten sich früher in den Fanszenen von Lok Leipzig, andere bei Chemie oder in großen Anhängerlagern von Bundesligisten. Dass darunter auch Mitglieder seien, die bereits Erfahrung mit Gewalt im Fußball gemacht haben, will L. nicht bestreiten. Aber soweit er wisse, gebe es keine Mitglieder, die in der Gewalttäterdatei Sport verzeichnet waren oder seien.
L. jongliert mit Begriffen wie diesen sehr versiert, kennt sich offenbar selbst in der erlebnisorientierten Szene, wie das Lager von gewalttätigen und gewaltsuchenden Fans genannt wird, ganz gut aus. „Wir haben viele Leute dabei, die einen körperlich recht stabilen Eindruck machen. Das schadet erstmal nicht”, sagt er.
L.E. United: Politik hat in der Gruppe nichts zu suchen
Zwar betont L.: „Wir wollen keine potenziellen Gewalttäter anziehen.” Doch aufgebrachte, wehrhafte und bisweilen alkoholisierte Fans mit Gewalterfahrung im Selbstverteidigungs-Modus können schnell über das Ziel hinausschießen. Zumal L. zugibt: „Einige sprechen dem Alkohol in einem Ausmaß zu, das nicht förderlich ist. Dieses Problem haben wir zwar nicht exklusiv gepachtet, soll aber nichts entschuldigen.”
Dass die beim Auswärtsspiel auf Schalke erstmals aufgetretenen Auswärts-Fangruppierung von einigen aktiven RB-Fans als Fremdkörper wahrgenommen wird, hat wohl auch politische Gründe. Carsten L. bestreitet nicht, dass einige Mitglieder stramm konservativ seien und betont: „Einer unserer Grundsätze ist, dass Politik in unserer Kurve und unserer Gruppe nichts zu suchen hat”, sagt L. Wir wollen uns von niemandem vor den Karren spannen lassen – weder von Links, noch von Rechts.”
Wie die Szene nun weiter auf L.E. United reagiert, werden die ersten Test- und Pflichtspiele in der Fremde zeigen. Mit den Fanbeauftragten von RB Leipzig hat L.E. United verabredet, nach dem ersten Treffen Ende Mai künftig alle zwei Monate zusammenzukommen. „Wir werden innerhalb unserer Gruppe klar und hart miteinander reden, dass in Zukunft alles, was ein schlechtes Licht auf uns wirft, zu vermeiden ist”, verspricht L. „Unsere Mitglieder müssen verstehen, dass alles, was gesagt und getan wird, auf die Gruppe zurückfällt.” Bei einer Versammlung Mitte Juni hat die neue Gruppe auch das eigene Verhalten reflektiert.
(mz)