Geplatztes Babelsberg-Testspiel Geplatztes Babelsberg-Testspiel: RB Leipzig sucht seine politische Linie

Leipzig - Es war der Montag nach dem Anti-Diskriminierungs-Spieltag der Fußball-Bundesliga „Strich durch Vorurteile” als RB Leipzig bekanntgab, den SV Babelsberg 03 mit einem Benefizspiel unterstützen zu wollen. Zahlreiche aktive RB-Fans rieben sich verdutzt die Augen. „Positiv geschockt“ sei er gewesen, formuliert es ein RB-Anhänger, der lieber anonym bleiben will.
Weil sich der Regionalligist dagegen wehrte, dass der Protest gegen Neonazis durch Babelsberger Fans vom Sportgericht bestraft wurde, nicht aber Rechtsextreme im Gästeblock, die Nazi-Parolen gegrölt und die Arme zum Hitler-Gruß erhoben hatten, erhält er dieser Tage für seine Kampagne „Nazis raus aus den Stadien” bundesweit Solidarität und Aufmerksamkeit – ligen- und fanszenenübergreifend.
„Nazis raus aus den Stadien”-Kampagne wird zum Erfolg für Babelsberg
Borussia Dortmund unterstützt die „Nulldreier“ ebenso wie Werder Bremen, der VfB Stuttgart, Mainz 05 oder der 1. FC Köln. Ein gemeinsames Eintreten gegen Neonazis in den Stadien, das eine hohe Glaubwürdigkeit hat, da nicht von den Verbänden vorgeschrieben, sondern von der Basis vorangetrieben.
Thoralf Höntze, Marketingmann beim SV Babelsberg erklärt: „Für viele Vereine, die entweder Probleme mit Nazis in der eigenen Fanszene haben oder wie wir Probleme mit rechtsextremen Gästefans, bringt die Kampagne unsere entschiedene Haltung auf den Punkt. Das ist wie ein Ventil.” 8000 Euro an Spenden sind bereits zusammengekommen, zudem haben die Babelsberger bereits 6000 ihrer Kampagnen-Shirts verkauft. Ein großer Erfolg für den kleinen Klub.
RB Leipzig will als Vereine keine Angriffsfläche bieten
Dass nun gerade Rasenballsport in der Sommerpause zu einem Testspiel im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion vorbeischauen wollte, überraschte deshalb, weil der Verein nicht eben im Ruf steht, Graswurzel-Aktionen wie diese zu unterstützen. Zwar positioniert sich RB im Rahmen von Kampagnen auch gegen Rassismus, ist aber stets bemüht, politisch neutral aufzutreten. Der Verein sei für „vielfältige Fankultur und Meinungsfreiheit bekannt“, hatte Klubboss Oliver Mintzlaff vor Monaten der MZ gesagt. „Dennoch werden wir Banner mit politischen Aussagen im Stadion nicht genehmigen, dafür sind ein Stadion und Fußballspiel nicht gedacht.“
Das unausgesprochene Credo bei Rasenballsport bislang: Alles, was Angriffsfläche aus welcher Richtung auch immer bietet, wird besser unterlassen. So wurden in der Vergangenheit auch immer mal wieder solidarische Fan-Banner etwa für eine Flüchtlingsfamilie, die abgeschoben werden sollte, verboten.
Dass sich Sportdirektor Ralf Rangnick einerseits jüngst öffentlich klar gegen die AfD positionierte und Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer unterstützte, Investor Dietrich Mateschitz auf der anderen Seite rechtspopulistische Ansichten äußerte, erzeugt ein politisch zumindest indifferentes Bild. Umso erstaunlicher, dass der Bundesligist nun offenbar eigeninitiativ den Babelsbergern anbot, deren politisch unmissverständliche Kampagne zu unterstützen.
Was steckt wirklich hinter der Testspielabsage?
Ebenso groß war die Überraschung dann, als Babelsberg und RBL vier Tage nach der gemeinsamen Testspiel-Ankündigung wiederum gemeinsam verkündeten, dass die Benefizpartie abgesagt worden sei – aus „terminlichen und organisatorischen Gründen”. So lautete die gemeinsame Sprachregelung.
Über die konkreten Hintergründe der unprofessionell anmutenden Absage vereinbarten beide Klubs Stillschweigen. Doch nach Recherchen der MZ gibt es zwei Erklärungsansätze. Erstens: Dem Vernehmen nach hätte RB die Partie gern gespielt und steht zu seiner Zusage. Doch plötzlich seien seitens der Babelsberger Verantwortlichen Fragezeichen und neue Forderungen aufgetreten, sodass man beschlossen habe, besser auf den Vorbereitungskick zugunsten der Anti-Nazi-Kampagne zu verzichten, ehe es zu weiteren Differenzen komme.
RB Leipzig betont: „Wir hätten gerne gespielt“
Laut einer anderen Quelle hingegen sei der Test deswegen geplatzt, weil sich RB einer klaren Verlautbarung gegen Rechtsextremismus und Neonazis in den Stadien habe verweigern wollen. In einer Mail, die der MZ vorliegt, schreibt ein dem Babelsberger Vorstand nahestehender Absender, der über die Gespräche gut unterrichtet ist: „Wie es aussieht, will die Klubführung von RB nur ein Benefizspiel, aber kein gesellschaftspolitisches Statement.” Und: „Ohne Statement kein Spiel!” Der Verfasser des Schreibens ist der MZ bekannt.
Diese Darstellung weist ein RB-Sprecher entschieden als „komplett falsch” zurück. „RB Leipzig tritt rassistischen und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen. Diese Haltung wird durch diverse Projekte und Engagements zum Ausdruck gebracht“, schreibt der Verein auf MZ-Anfrage. „Wir können an dieser Stelle nur noch einmal betonen, dass wir gerne gespielt und somit den SV Babelsberg auch entsprechend unterstützt hätten. Dies werden wir nun auf eine andere Art und Weise machen, da beide Vereine aufgrund von terminlichen und organisatorischen Gründen nicht zu einer Austragung in der Sommervorbereitung zusammengefunden haben.”
Wie viel gesellschaftliches Engagement will sich RB Leipzig leisten?
Wie genau diese Unterstützung geschehen soll, ist noch nicht geplant. Zum Ablauf der Zu- und kurz darauffolgenden Absage teilt RB mit: „Chronologisch war es wie folgt: Nachdem alle inhaltlichen Einzelheiten geklärt waren, haben wir dem Spiel zugesagt und mussten es beidseitig dann wiederum ein paar Tage später aus genannten terminlichen und organisatorischen Gründen absagen. Der Vorwurf ist demnach absurd und durch unser Handeln und die Spielzusage an sich schon obsolet.“ Was dann konkret dazu geführt hat, dass der Test platzte, ist dennoch unklar.
Doch die generelle Frage, wie viel gesellschaftliches Engagement sich gerade RB Leipzig als ostdeutscher Bundesligist leisten will und wie klar er sich positioniert, muss und wird sich der Klub weiter stellen. In den kommenden Tagen werden die Offiziellen Fanclubs (OFC) ein Schreiben des Vereins erhalten, in dem RB klarstellen will, wie sich der Verein politisch und gesellschaftlich verortet.
Übrigens: Ein Benefizspiel gegen einen Bundesligisten werden die Babelsberger wohl trotzdem organisieren. Der SVB ist mit dem SV Werder Bremen im Gespräch, der sein Sommer-Trainingslager im nahen Neuruppin austrägt und derzeit prüft, ob der Test in die sportliche Vorbereitung passt. Nicht, dass aus terminlichen und organisatorischen Gründen erneut abgesagt werden muss. (mz)