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Wenig Nachwuchs Radsport in Sachsen-Anhalt: Warum es nur einen Profi und wenig Nachwuchs gibt

Von Tobias Schlegel 14.09.2018, 09:24
Radprofi Robert Wagner, hier 2017 bei der Tour den France.
Radprofi Robert Wagner, hier 2017 bei der Tour den France. imago sportfotodienst

Halle (Saale) - Robert Wagner war 2017 der Letzte seiner Zunft: Ein Profi-Radfahrer aus Sachsen-Anhalt, der an der Tour de France, dem bedeutendsten Radrennen der Welt, teilgenommen hat.

Der 35 Jahre alte Magdeburger ist auch der einzige Sachsen-Anhalter, der momentan für einen Profi-Rennstall (Lotto NL-Jumbo aus den Niederlanden) aktiv ist. 2011 wurde Wagner Deutscher Meister, in den vergangenen Jahren ist der Spezialist für Sprints und Eintagesrennen aber kaum noch in Erscheinung getreten.

Die großen Aushängeschilder im Straßen-Radsport fehlen Sachsen-Anhalt also. Für Frank Witte ist das aber kein großes Problem. Der Präsident des Radsport-Landesverbandes Sachsen-Anhalt sagt: „Der Nachwuchs denkt bei den Vorbildern mehr national als lokal. Da spielt es keine Rolle, ob ein Marcel Kittel aus Erfurt oder aus Magdeburg stammt. Er ist so oder so Vorbild für die Kinder.“

Der Radsport hat in Sachsen-Anhalt nur wenig Nachwuchs

Viel Nachwuchs gibt es aber gar nicht: Nur knapp 65 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre betreiben in Sachsen-Anhalt auf Vereinsebene Radsport auf der Straße. Keine große Zahl, wenn man bedenkt, dass etwa in Nordrhein-Westfalen knapp 800 Nachwuchs-Radsportler in Vereinen aktiv sind.

„Es gibt aber Bundesländer, die noch weniger haben. Wir sind nicht Schlusslicht“, betont Witte. Die Nachwuchsarbeit konzentriert sich vor allem auf den Norden in und um Magdeburg. Dazu kommen Genthin, Wernigerode und Wittenberg. Die Hochburg des sachsen-anhaltischen Straßen-Radsports ist der RSV Osterweddingen im Landkreis Börde - das größte Leistungszentrum in Sachsen-Anhalt.

Der Süden spielt dagegen kaum eine Rolle. Laut Witte liegt das daran, dass sich in den Regionen Halle, Weißenfels oder Naumburg viel mehr auf den Mountainbike-Sport konzentriert wird.

Wer Radprofi werden will, muss Sachsen-Anhalt verlassen

Doch wer von den Talenten Profi werden und womöglich einmal in die Liga von Kittel, Tony Martin, John Degenkolb oder André Greipel aufsteigen möchte, der muss Sachsen-Anhalt so oder so verlassen.

„Wenn wir bei der U17 einen Fahrer sehen, der Talent hat, sind die Sportschulen in Erfurt oder Cottbus der nächste Schritt für ihn“, erklärt Witte. Thüringen und Sachsen haben den Radsport in ihren Sportgymnasien integriert - in Sachsen-Anhalt ist das nicht der Fall. „Der Radsport gehört hier nicht zu den Schwerpunktsportarten. Demzufolge gibt es weniger Förderung als in Sachsen oder Thüringen“, so Landeschef Witte.

So sind auch die Strukturen viel schlechter als in den mitteldeutschen Nachbarbundesländern. Der Verband besitzt nur einen hauptamtlichen Landestrainer, der für den gesamten Nachwuchs im Straßen-Radsport verantwortlich ist.

In Sachsen-Anhalt gibt es keine gute Radrennbahn

Auch die Trainingsmöglichkeiten sind suboptimal. In Sachsen-Anhalt gibt es keine funktionierende Radrennbahn, mit der ein ganzjähriger Trainingsbetrieb abgesichert werden kann. Das Fahren auf der Straße ist vielen Eltern aufgrund der Unfallgefahr aber ein zu hohes Risiko, wie Verbands-Geschäftsführer Stefan Thomé erklärt. „Andere Trainingsmöglichkeiten sind kaum vorhanden.“

Allerdings wird laut Frank Witte auch in anderen Bundesländern vorwiegend auf der Straße bei regulärem Verkehr trainiert. „Nur gibt es dort Fahrzeuge, die hinter den Radfahrern sind und diese absichern“, sagt der Verbands-Präsident. Das koste jedoch Geld und erfordere Personal. Zwei Dinge, die in Sachsen-Anhalt in Bezug auf den Radsport rar gesät sind. „Vieles müsste daher über das Ehrenamt laufen“, meint Witte.

Doch auch die Kosten sind für junge Fahrer ein Hindernis. Ein ansatzweise brauchbares Rennrad kostet mindestens 1.000 Euro. Die jüngeren Jahrgänge sind daher meist mit Mountainbikes oder Fitnessrädern unterwegs. Hier müsste man laut Frank Witte verstärkt auf die Hersteller und Betreiber von Radläden zugehen und sie zu einem Sponsoring bewegen. Viel Arbeit, die der Landesverband mit seinen begrenzten Mitteln kaum stemmen kann.

Die Deutschland-Tour kann Sachsen-Anhalt helfen

Doch die Tendenz stimmt. Seit etwa fünf Jahren kann der Verband einen Zuwachs an Talenten für den Straßen-Radsport verzeichnen. Dass in diesem Jahr nach zehn Jahren Pause mit der Deutschland-Tour wieder ein Profi-Etappenrennen in Deutschland ausgetragen wurde, hilft auch dem Landesverband bei seiner tagtäglichen Arbeit. „Durch die Medienpräsenz der Tour steigt auf jeden Fall die Aufmerksamkeit bei Kindern und Eltern“, erklärt Stefan Thomé.

Für Frank Witte hat die Deutschland-Tour, die vor 14 Tagen zu Ende gegangen ist, aber noch einen ganz anderen Effekt: „Die Tour oder die Vuelta kann nicht das erste Ziel für einen Nachwuchsfahrer sein. Das wäre viel zu hoch gesteckt. Lieber sollte man kleinere Brötchen backe. Die Teilnahme an der Deutschland-Tour wäre ein Ziel, welches erreichbar wäre.“ (mz)