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Olympischer Goldtanz Olympia: Aljona Savchenko und Bruno Massot gewinnen Gold in Pyeongchang

Von Benedikt Paetzholdt 15.02.2018, 10:54
Harmonische Bewegungen: Aljona Savchenko und Bruno Massot bei ihrer Kür.
Harmonische Bewegungen: Aljona Savchenko und Bruno Massot bei ihrer Kür. AFP

Pyeongchang - Aljona Savchenko und Bruno Massot lagen nebeneinander auf dem Eis. Nicht niedergeschlagen, sondern völlig entkräftet. Die viereinhalb Minuten zur Musik „La terre vue du ciel“, die für den Natur-Dokumentarfilm „Die Erde von oben“, komponiert wurde, gelten ohnehin als ein Paarlauf-Kunstwerk. Nach dem vierten Platz im Kurzprogram mussten die beiden dieses aber mit ein paar zusätzlichen Farbklecksen verzieren, um ihren Goldtraum im Eisoval von Gangneung noch erleben zu dürfen.

Als sich die beiden aufrappelten, umarmten und das Eis verließen, um das Juryurteil zu erfahren, fühlte sich der Moment ähnlich gut an wie Anfang Dezember beim Grand-Prix-Finale in Japan - als die beiden eine Weltrekordkür hinlegten. Gestern übertrafen sie die Marke sogar nochmal – dank blitzsauberer Sprünge, einem ungewöhnlich hohen Twist zur Eröffnung und einem tadellosen dreifachen Wurf-Flip. Diese Elemente waren auch nötig. 235,90 Punkte bekamen sie in der Gesamtwertung, davon 159,31 in der Kür. Die Zweitplatzierten Chinesen Sui Wenjing/Han Cong schlossen den Wettkampf mit 235,47 Zählern ab.

Große Anspannung im Green Room

Welchen Druck Savchenko, 34, und Massot, 29, während ihrer Zusammenarbeit auf ihre so ungleichen Schultern geladen haben, zeigte sich dann zwanzig Minuten später im Green Room, in dem die drei führenden Paare gespannt die Vorstellungen der anderen verfolgen. Massot saß nach der Goldgewissheit regungslos auf seinem Sessel und weinte. Den starken Part, den er zuvor auf dem Eis gezeigt hatte, konnte er jetzt nicht mehr spielen. Also legte Savchenko, ebenfalls schluchzend, ihre schmalen Arme um den doppelt so schweren Körper ihres Laufpartners.

Die Faszination dieser ersten deutschen Paarlauf-Olympiagoldmedaille seit 1952 begann bereits am Mittwoch. Massot hatte beim Salchow gepatzt, er war ihn nur doppelt gesprungen statt dreifach. „Dieser Fehler hat uns vier Punkte gekostet“, hatte der Berliner Trainer des Paares Alexander König anschließend frustriert gesagt, „jetzt kann es nur noch heißen: Attacke!“ Kurzzeitig wirkten die beiden nicht als Einheit. Er haderte mit seinem Patzer, sie nahm frustriert etwas Abstand. Denn sie lagen nach der Hälfte des Wettbewerbs nur auf Rang vier, der Rückstand auf die führenden Chinesen schien mit sechs Punkten zu groß.

Ungeahnte Reserven

Doch der Moment dieses Rückschlages setzte jede Menge ungeahnte Reserven frei. Am Abend gab es ein Teammeeting, das es in sich hatte. „Wir haben ein paar klare Worte gefunden“, sagte König, „jeder wusste, was er zu machen hatte.“ Massot erzählte gestern dann, dass er vor dem Schlafengehen sein Antlitz im Spiegel betrachtet habe. Und zu dem Schluss kam: „Das kann es noch nicht gewesen sein, der Traum ist nicht vorbei.“

Nach einer erstaunlich ruhigen Nacht klingelte der Wecker um 5.30 Uhr. „Ich bin aufgewacht und mir gesagt: Wir schreiben heute Geschichte“, sagte Savchenko. Um 8 Uhr waren sie in der Halle. „Das Training lief dann schon sehr gut“, sagte König. Dass sie gute vier Stunden später dann vorletztes Paar dran waren, könnte der entscheidende Vorteil gewesen sein. Denn nicht Savchenko und Massot mussten auf andere Paare reagieren, sie selbst konnten die Konkurrenz schocken. König imitierte hinter der Bande nervös die Übungen. Und ballte die Faust nach jedem tadellosen Sprung, jeder wackelfreien Drehung. „Das war die schönste Kür, die ich je gesehen habe“, schwärmte er.

Das kanadische Paar Meagan Duhamel/Eric Radford, Bronzegewinner und nach dem Vortag schon auf Rang drei, lief ebenfalls nahezu tadellos. Sie rangierten nach dem Kurzprogramm aber nur so knapp vor den Deutschen, so dass sie nicht mithalten konnten. Eine Medaille war jetzt schon mal sicher. Nach Bronzemedaillen in Vancouver und Sotschi, die zu Tränen der Enttäuschung bei Savchenko sorgten, war Gold die einzige Option - das hatte sie vor den Spielen klargemacht.

Zähe Minuten

Die zähesten Minuten dieses Vormittags sollten nun kommen. Jetzt war das chinesische Weltmeisterpaar dran, das nach dem Kurzprogramm führte. Große Aussetzer leistete sich dieses bei einem ebenfalls sehr anspruchsvollen Programm nicht. Wenige Wackler machten aber den Unterschied. Das Savchenko/Massot den Weltrekord benötigten, zeigt die Dramatik. „Wir haben uns gewundert, dass sie einen halben Punkt hinter uns lagen“, sagte König.

Das russische Paar unter neutraler Flagge Jewgenija Tarassowa/Wladimir Morosow trat als Letztes an. Das Brisante daran: Savchenkos ehemaliger Laufpartner Robin Szolkowy trainiert sie. Sie gelten als technisch sehr versiert, ihre Kür ist im Vergleich zu den Deutschen aber als deutlich unaufregender. Nach einem Sturz Tarassowas, der sie am Ende von Rang zwei noch aus den Medaillenrängen katapultierte, wurden die Augen im Green Room dann langsam feucht. Jetzt realisierten Savchenko und Massot, das ihr Comeback mit der höchsten olympischen Ehre belohnt wird. „Wir haben wir Tiger gekämpft“, sagte sie.

Nun ist also der Moment gekommen, in dem Savchenko endlich mal zur inneren Ruhe finden kann. Bei ihren fünften und letzten Olymischen Spielen ist der Plan, den sie nun schon ihr ganzes Leben verfolgt, aufgegangen. „Es ist mein Moment. 2018 wird unser Jahr sein, haben wir uns gesagt. Das ist eine beeindruckende Geschichte“, sagte sie nach der Blumenzeremonie, bei der sie Massot so elegant aufs Podest hob wie zuvor über das Eis.

Wahl des richtigen Partners

Die Wahl des richtigen Partners ist der entscheidende Bauteil dieses Erfolgs. Nach dem Karriereende Szolkowys war ihr schnell klar, dass sie den passenden Läufer an ihrer Seite nicht hierzulande findet. Ihr Bauchgefühl sagte schnell: Massot ist der Richtige. Ende des vergangenen Jahres meisterte der Franzose nach mehreren Anläufen die Einbürgerung. Am Mittwoch hatte er bei seiner olympischen Premiere dann aber mit den hohen Erwartungen zu kämpfen. Um dann genau jede Stärke zu zeigen, die Savchenko so an ihm schätzt: „Er bringt im Wettkampf seine besten Leistungen.“

Dass sich die beiden zusammen mit dem kanadischen Starchoreografen Christopher Dean dazu entschieden haben, ein Programm einzustudieren, das Eistanzelemente mit anspruchsvollen Sprung- und Wurfkombinationen verbindet, zahlte sich ebenfalls aus. „Das war ein Zeichen in die Zukunft“, sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislaufunion. Zu der Aljona Savchenko nicht mehr zählen wird.