Saale Bulls So lief das erste Jahr als Trainer für Marius Riedel
In seiner ersten Saison als Cheftrainer führte Marius Riedel die Saale Bulls ins Playoff-Halbfinale. Wie er das geschafft hat und warum auch mal Flaschen flogen.
Halle (Saale)/MZ - Der Kontrast war extrem. Atemlos war Marius Riedel von Spiel zu Spiel gehetzt, lange Tage, kurze Nächte, immer unter Strom. Dann, ein letztes Gegentor, eine letzte Schlusssirene und plötzlich war da die große Leere, die Rückkehr in die Banalität des Alltags.
„Als ich nach dem letzten Spiel zu Hause war, habe ich in meinen Kühlschrank geguckt, da war nichts mehr drin oder es war verschimmelt, weil ich wochenlang nur in der Halle oder im Bus war“, beschreibt Riedel, der Trainer der Saale Bulls, wie er nach dem Wahnsinn der Playoffs in das Sommerpausengefühl eintauchte. „Das war eine Erfahrung, die ich machen musste“, sagt er.
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Eine von vielen. Für Riedel, den gebürtigen Hallenser, war es nach Stationen in Nachwuchsabteilungen und als Talententwickler in der DEL2 die erste volle Saison als Cheftrainer einer Eishockeymannschaft. Dass es dann auch noch die seiner Heimatstadt und seines Herzens war, machte die Herausforderung nicht einfacher.
Saale Bulls: Für Trainer Marius Riedel kam vieles anders als geplant
Riedel hat sie gemeistert, die Saale Bulls erfolgreich durch eine Mammutsaison gecoacht. Inklusive Vorbereitung stand der 34-Jährige bei 75 Spielen hinter der Bande, 50 davon konnten gewonnen werden. Beides sind Vereinsrekorde. Obwohl die Saison geprägt war von großen Verletzungsproblemen gelang die Vizemeisterschaft in der Oberliga Nord und der Einzug ins Playoff-Halbfinale.
Eine Erfolgsgeschichte. Aber keine, die sich so gestaltete, wie sie sich Riedel ausgemalt hatte. „Es ist meine erste Station als Trainer, ich hatte den ganzen Sommer Zeit, mich darauf vorzubereiten, habe einen klaren Plan entwickelt, wie ich spielen will, wie mein Training aussehen soll, wie ich mit den Spielern umgehen will“, blickt er zurück. „Am Ende habe ich dann aber 90 Prozent anders gemacht als geplant.“ Sein Eingeständnis: „Wenn ich meine Idee vom Eishockey durchgezogen hätte, wäre ich im November nicht mehr in Halle gewesen.“
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Es ist also eine Erfolgsgeschichte, aber auch eine, die den Wert der Flexibilität betont. Als die Ergebnisse zu Saisonbeginn nicht stimmten, rückte Riedel etwa ab von seiner Idee des hyperaggressiven Eishockeys. Am Saisonende, als die Bulls ihre besten Leistungen abriefen, zeichnete die Mannschaft vor allem eine gute Verteidigung aus. Es waren Lernprozesse, Erfahrungen.
„Am Anfang habe ich gedacht, dass sind Profisportler, also arbeiten wir von acht bis 22 Uhr, mit zwei Eistrainings am Tag und Athletik noch dazu“, sagt Riedel. Der junge, ambitionierte Trainer wollte zu viel, musste sich an die Belastung des Alltags und die Bedürfnisse der Mannschaft anpassen. „Es ist wichtig, die Spieler mitzunehmen, auf sie einzugehen. Ich kann mich als junger Trainer nicht hinstellen und sagen, dass ich die Eishockey-Weisheit mit Löffeln gegessen habe“, sagt er.
Marius Riedel nahm die Meinung der Spieler ernst
Riedel, der mit markanter Brille und Sneakern optisch das Bild eines modernen Laptoptrainers erfüllt, konnte mit seiner kommunikativen Art die durchaus schwierigen Charaktere in der Kabine bändigen. „Es gab Leute, die geunkt haben, dass mir die Spieler auf der Nase rumtanzen würden. Aber unsere Zusammenarbeit war super, weil ich ehrlich mit ihnen war und ihre Meinungen ernstgenommen habe.“ Er beschreibt es als flache Hierarchie – mit klaren Grenzen. „Am Ende muss ich trotzdem zeigen, dass ich der Chef bin“, betont er.
Schon in der Vorbereitung ließ der nach außen so ruhig und analytisch kommunizierende Riedel Türen knallen, zertrümmerte einen Schläger. Nach einer Heimniederlage gegen Diez-Limburg flogen Flaschen. „Ich hasse es zu verlieren“, erklärt er. „Die Spieler müssen merken, dass es mit dem netten Ton vorbei ist, wenn ihre Einstellung nicht stimmt.“
In den Playoffs waren solche Ausbrüche nicht mehr nötig, da kämpften und spielten die dezimierten Bulls eindrucksvoll. Trotz allem hat Riedel auch gesehen, wie nah für hart arbeitende Trainer Misserfolg und Euphorie beieinander liegen können. Nur ein wundersames Comeback im entscheidenden Spiel gegen Deggendorf verhinderte das Aus im Viertelfinale. „Wären wir da rausgeflogen, wäre ganz anders über die Saison geredet worden“, vermutet er. „Aber wir hatten über die Saison das Mindset entwickelt, dass wir nie aufgeben, immer weiter arbeiten.“
Mit dieser Mentalität soll die kommende Saison noch erfolgreicher werden, der Wahnsinn noch länger andauern, bis ins Finale. Auf die Leere danach ist Riedel, der am Samstag einen neuen Einjahresvertrag bei den Bulls unterschrieben hat, nun vorbereitet. Und die jetzige weiß er zu füllen. „Ich habe erstmal einen Urlaub gebucht“, sagt er. Es geht ein paar Tage in die Türkei. Ausspannen.