Leichtathletik Leichtathletik: Nadine Müllers Lohn für Schweiß und Tränen
PEKING - Denia Caballero liebt Fernsehserien mit Vampiren und Werwölfen. Sie mag Science-Fiction- und Horrorfilme. Nur logisch, dass sie auch gerne ihre Konkurrentinnen in Angst und Schrecken versetzt. Bei der WM in Peking gelang das der kubanischen Diskuswerferin in Perfektion. Selten war ein Wettkampf in dieser Disziplin schneller entschieden.
Als vierte Athletin des ersten Durchgangs trat Caballero in den Ring, schleuderte die Scheibe auf 69,28 Meter, und damit war die Sache geritzt. Lediglich die Kroatin Sandra Perkovic wäre in der Lage gewesen, diese Weite zu überbieten, aber auch das nur an einem sehr guten Tag. Den hatte sie nicht. Drei Mal warf sie ungültig, ein Mal landete der Diskus sogar an der Käfigbegrenzung, was einen veritablen Wutanfall ihres Trainers auslöste.
Erst im sechsten Versuch schaffte es die Titelverteidigerin und Olympiasiegerin von London, mit einem Wurf auf 67,39 Meter auf Platz zwei zu rücken - vorbei an Nadine Müller, die ebenfalls vom ersten Durchgang an auf dem Silber-Rang gelegen hatte.
Die Hallenserin, die offiziell für den SC DHfK Leipzig startet, nahm den Last-Minute-Coup der Kroatin nicht allzu tragisch. „Perkovic ist vom ersten bis zum sechsten Versuch gefährlich, es war abzusehen, dass sie da noch rankommt, wenn sie die Nerven behält.“
Und so war die 29-Jährige mit Bronze hoch zufrieden. Und auch damit, als Beste des deutschen Trios abzuschneiden. „Der ganze Schweiß, die ganzen Tränen haben sich gelohnt.“
Die Berlinerin Julia Fischer wurde Fünfte, Shanice Craft Siebte. Eine weitere Medaillenkandidatin, Anna Rüh, die in diesem Jahr am Weitesten geworfen hatte, musste wegen ihres schwachen Abschneidens bei der deutschen Meisterschaft zu Hause bleiben, weil es nur drei Startplätze gab.
Die Perspektiven im deutschen Team sind also prima. „Auf jeden Fall sind wir gut aufgestellt“, sagte Meisterin Fischer, „um uns muss man sich keine Sorgen machen.“ Die 25-Jährige war ein bisschen traurig, dass sie sich während des Wettkampfs leicht am Rücken verletzt hatte. „Hätte mir jemand vorher gesagt, du wirst Fünfte, hätte ich mich gefreut, aber dann wäre doch mehr drin gewesen.“
Nadine Müller hingegen fand ihren dritten Platz großartig, schließlich hatte sie lange mit Knieproblemen zu kämpfen und musste deswegen im vergangenen Jahr für die EM absagen. „Wir konnten erst im November wieder richtig anfangen, und ich bin noch lange nicht da, wo ich mal war“, meinte sie, „insofern ist diese Zwischenstation auf dem Weg nach Rio ein voller Erfolg.“
Obwohl sie ebenfalls mit dem ersten Versuch ihre Bronzeweite von 65,53 Metern geschafft hatte, war ihre Taktik eigentlich jener der Kubanerin diametral entgegengesetzt gewesen. „Wir wollten locker anfangen und dann nachlegen“, erläuterte Müller, doch der karibische Horrorwurf durchkreuzte die Planung. „Mein Ziel hier war auch, die 66 Meter zu werfen, aber dann habe ich den Faden verloren, die Beine wurden schwer.“
Müller kam nicht mehr annähernd an ihren ersten Wurf heran, auch sie leistete sich drei Fehlversuche, einen an die Ringbegrenzung. „Wenn man anfängt, mit Krawall zu werfen, ist bei mir die Technik weg.“ Doch Schwamm drüber, schließlich hätten ihr 66 Meter auch nicht zu Silber verholfen.
Denia Caballero hat sich in dieser Saison, in der sie ihre Bestweite um mehr als fünf Meter verbesserte, enorm gesteigert. In Bilbao schleuderte sie den Diskus am 20. Juni auf die Weltjahresbestweite von 70,65 Metern. Solche riesigen Leistungssprünge im Sport wecken natürlich Verdacht. Doch Caballero macht geltend, dass ihre Technik erst jetzt ausgereift sei. Da sie mit 25 Jahren für eine Diskuswerferin noch relativ jung ist und mehr über Schnelligkeit und Technik kommt als über Kraft, klingt das immerhin plausibel. Auch Nadine Müller machte in diesem Alter einen ähnlichen Sprung.
Begonnen hat Denia Caballero übrigens als Weitspringerin. Ein Disziplinwechsel, der sich wirklich gelohnt hat. (mz)