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"Kranke Welt" im Netz "Kranke Welt" im Netz: Kerber im Shitstorm Brown vermarktet sich selbst

Von Cai-Simon Preuten 29.06.2013, 14:48
Angelique Kerber steht nach einer Niederlage gegen Kaia Kanepi in der Kritik.
Angelique Kerber steht nach einer Niederlage gegen Kaia Kanepi in der Kritik. dpa Lizenz

London/sid - Ein Shitstorm, so definiert es seit Freitag offiziell der Duden, ist ein „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“. Weil Angelique Kerber in Wimbledon ein Tennismatch verloren hatte, stürmte es gewaltig auf ihrer offiziellen Facebook-Seite.

Mit Entrüstung aber hatten die widerlichen Kommentare unter einem Foto, das Kerber am Frühstückstisch zeigte, nichts mehr zu tun. Die Kielerin sah sich sogar Todes-Drohungen ausgesetzt, anonyme User wünschten ihr „gebrochene Hände“ und beleidigten Kerber zutiefst. „Einfach nur peinlich, Angelique. Schreckliche, schreckliche Vorstellung. Sehr enttäuschend“, war da noch einer der harmlosesten Einträge.

„Verrückte gibt es leider überall“

Ein großer Teil der medialen Tennis-Welt spielt sich in der heutigen Zeit in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter ab - und so reagierte auch Bundestrainerin Barbara Rittner beim Kurznachrichtendienst. „Absolut niveaulos und erbärmlich!!! Kranke Welt...“, schrieb sie. Die englische Tageszeitung Daily Mail hatte den Fall längst aufgegriffen und vermutete enttäuschte Sport-Wetter hinter den Angriffen, die durch Kerbers 6:3, 6:7 (6:8), 3:6-Niederlage gegen Kaia Kanepi Geld verloren hatten. Die meisten Kommentare kamen von einem Mann, der sich Marijan Batinich Maali nennt und in Amerika leben soll.

Das Kerber-Lager reagierte „geschockt“ auf das Ausmaß des Shitstorms, Manager Markus von Kotzebue ließ die Kommentare entfernen, mittlerweile finden sich nur noch positive Reaktionen, Entrüstung gegen die Beleidigungen und Aufmunterung unter dem Foto. Kerber wird im Netz vorerst aktiv bleiben, „Social Media gehört dazu und Verrückte gibt es leider überall“, sagte von Kotzebue.

Auch Dustin Brown, der Twitter-Experte im deutschen Tennis, wunderte sich über die Kommentare nach seiner Drittrunden-Niederlage gegen den Franzosen Adrian Mannarino (4:6, 2:6, 5:7): „Habe mir gerade tonnenweise Facebook-Nachrichten durchgelesen... Bin immer noch geschockt, was die Leute schreiben, wenn man verliert.“

Mehr als 15.000 Follower

Per Hashtag legte er diesen Leuten eine „einfache Lösung“ nahe: „Ob Sieg oder Niederlage - wettet nicht auf Dreddy.“ DreddyTennis heißt der schlacksige Deutsch-Jamaikaner in der Online-Welt, und auch wenn Brown selbst Opfer einiger Hass-Kommentare geworden war, überwiegt der Nutzen, der ihm seine offensive Präsenz im Netz gebracht hat. Mit seinem Twitter-Namen auf dem Shirt vermarktet sich Brown selbst und gewann in Wimbledon nicht nur jede Menge Weltranglistenpunkte, 74.300 Euro Preisgeld und Anerkennung auf der Tour, sondern auch mehr als 15.000 Follower.

Brown sieht sich damit als Vorbild für andere Spieler auf der Tour: „Warum nicht? Wenn dir niemand etwas aufs Hemd klebt, kannst du doch dein eigenes Produkt vermarkten. Ist doch keine schlechte Idee“, sagte er. Gemeinsam mit Doppelspezialist Christopher Kas war er darauf gekommen und holte sich die Genehmigung von der ATP, dem Weltverband ITF und Twitter. Große Sprünge blieben anfangs aus, „wenn du nur Challenger spielst, bekommst du drei neue Follower, hier sind es dann 15.000“, erzählte Brown. Mit den Auswirkungen müssen die Online-Stars auf einer großen Bühne wie Wimbledon leben. Wie die Beispiele Kerber und Brown zeigen, überwiegt glücklicherweise auch nach Niederlagen der Zuspruch der Fans und nicht der Shitstorm der Verwirrten.

Der deutsche Tennisspieler Dustin Brown.
Der deutsche Tennisspieler Dustin Brown.
dpa Lizenz