Öberg holt Biathlon-Gold Hanna Öberg holt Biathlon-Gold: Olympiasieg made in Germany

Pyeongchang - Von einer Frau konnte der Urschrei nicht kommen, der nach dem Einzelrennen über 15 Kilometer durch das Biathlonstadion von Alpensia schallte. Dafür war die Stimmlage eindeutig zu tief. Der Urheber war bald enttarnt, die inbrünstigen Töne stammten von Wolfgang Pichler, einem 63 Jahre alten Ruhpoldinger, der das schwedische Team trainiert. Hanna Öberg, 22, die zum letzten Mal bei einer Junioren-WM fehlerlos geschossen hatte, traf alles. Und gewann völlig überraschend. „Ohne Wolfgang wäre ich im Laufen nicht auf dem Level“, sagte sie, „er ist sehr gut darin, mich in Form zu bringen.“
Pichler und die Schweden, das ist eine Erfolgsgeschichte, die nach einer längeren Unterbrechung nun wieder eine Renaissance erlebt. Pichler trainierte Magdalena Forsberg, die zwischen 1997 und 2002 sechsmal den Gesamtweltcup gewann, bei Olympischen Spielen aber über Bronze nicht hinauskam. Das gelang Anna Carin Olofsson 2006 beim Massenstart in Turin, als erster ihres Landes seit 46 Jahren.
Dass Pichler von 2011 bis 2014 allerdings das russische Frauenteam trainierte, hätte ihn nun fast die Akkreditierung für Pyeongchang gekostet. Weil drei seiner Athletinnen – Olga Saizewa, Olga Wiluchina und Jana Romanowa – gedopt hatten, wollte das IOC den Bayern zunächst mal nicht teilnehmen lassen. „Es ist für mich hart, dass ich für irgendetwas gesperrt werde, wofür ich nichts kann“, hatte er kommentiert.
Zweite Biathlon-Medaille für Schweden
Zwei Wochen vor dem Start der Spiele erhielt er dann aber doch die Zusage, die Athleten um Öberg betreuen zu dürfen. Ohne ihn, das ließ Öberg anklingen, hätte es das skandinavische Team sehr viel schwerer gehabt. Sie sagt: „Wir haben auch andere gute Trainer, aber es ist schön ihn zu haben.“ Nach Sebastian Samuelssons Silber war Öbergs Gold nun schon die zweite Medaille für die Nordeuropäer.
Bei den Wettkämpfen in den Bergen von Pyeongchang gewann Laura Dahlmeier somit zum ersten Mal nicht die Goldmedaille, mit nur einem Fehler sicherte sie sich aber Bronze hinter der Slowakin Anastasiya Kuzmina. „Es ist ein sehr schönes Gefühl, bei Olympischen Spielen in Topform zu sein“, sagte sie. Den einzigen Fehler leistete sie sich bei der ersten Schießeinheit. Franziska Preuß, die von Dahlmeier erst spät vom dritten noch auf den vierten Rang verdrängt wurde, wirkte trotz dieses ersten Platzes jenseits der Medaillen fast so zufrieden wie Dahlmeier. „Ich habe viermal null geschossen, mehr hätte ich nicht machen können“, sagte sie nach ihrem ersten Einsatz hier, „das hätte ich sofort unterschrieben nach der holprigen, sehr schweren Saison.“
Starkes Rennen von Franziska Preuß
Beim letzten Weltcup in Antholz hatte sich Preuß, 23, überhaupt erst für Olympia qualifiziert. „Ich bin megahappy, dass ich es geschafft habe, hier zu starten“, sagt sie. Kurz nach Beginn der Saison 2016/2017 begann eine lange Leidenszeit, die so richtig erst seit Weihnachten überwunden scheint. „Da habe ich gemerkt, dass es im Körper geschnackelt hat“, sagt sie. Das Vertrauen in den eigenen Körper kehrt erst langsam wieder zurück. Für einen von zwei Staffeleinsätzen dürfte sie sich mit dieser Form empfohlen haben. „Das heute ist wichtiger Balsam für mich“, sagte sie.
Ausgehend von einem Virus fühlte sie sich über Monate hinweg anhaltend körperlich erschöpft, ihr Herz kam dennoch nicht richtig zu Ruhe. Statt zu trainieren, pendelte sie von Arzt zu Arzt, „ich war ein richtiges Wrack“, sagt sie. Schlechte Tage verbrachte sie einfach nur im Bett, an etwas besseren gelang es ihr gerade mal, „mit der Mama zum Einkaufen zu fahren.“ Sie holte sich psychologische Hilfe, auch das half ihr, in den Leistungssport zurückzufinden. Entsprechend groß ist die Erleichterung bei Bundestrainer Gerald Hönig: „Für die Franzi war es heute eine kleine Wiedergeburt nach der langen Leidenszeit. Dass sie läuferisch noch nicht bei Hundert Prozent sein kann, ist jedem klar.“
Dennoch bestätigte auch sie den Trend, dass das deutsche Team in körperlich sehr gutem Zustand ist. Ein Grund dafür könnte der sehr spezielle Biorhythmus sein, denn man sich seit der Ankunft in Südkorea angeeignet hat. „Wir haben die Uhr nur vier Stunden umgestellt“, sagt Dahlmeier, das heißt koreanischer Zeit stehen wir erst so um 12 Uhr auf und gehen um halb 3 ins Bett.“ Da bleibe dann leider keine Zeit mehr, andere Wettkämpfe anzuschauen. Maximal noch die der Männer.
Johannes Thingnes Bö holt Gold bei den Herren
Mit der Medaillenvergabe hatten die Deutschen hier nichts zu tun. Johannes Thingnes Bö aus Norwegen, der bislang nicht wie ein Mitfavorit auftrat, schoss mit seinem goldenen Gewehr zweimal daneben, war aber uneinholbar. Er siegte vor dem Slowenen Jakov Fak und dem Österreicher Dominik Landertinger. Viel hätte auch hier nicht gefehlt für einen weiteren zünftigen Urschrei Pichlers. Sebastian Samuelsson verpasste Bronze und seine zweite Medaille als Vierter nur um 15 Sekunden. Fredrik Lindström wurde Achter und war damit einen Platz besser als der beste Deutsche, Erik Lesser. Jesper Nelin lag bis zum vierten Schießen sogar in Führung, drei Fehlern bedeuteten am Ende Platz 24. Wäre ja auch zu schön gewesen, Nelin ist Öbergs Lebensgefährte. Das wäre die olympische Liebesgeschichte gewesen.