Kapitän Uwe Gensheimer Handball-WM: Kapitän Uwe Gensheimer, der Handballer mit dem Gummiarm

Es passierte am Abend des 12. Januar im Mannschaftshotel der deutschen Handballer vor den Toren von Rouen. Teamkapitän Uwe Gensheimer scharte seine Mitspieler um sich und schwor sie auf die anstehende Weltmeisterschaft ein. Und er hatte eine dringende Bitte: Geht ganz normal mit mir um!
Was aber gar nicht so einfach war. Ein jeder wusste ja: Erst vor wenigen Tagen war der Vater des Kollegen gestorben, mit gerade mal 60 Jahren. Manch einer hätte in einer solchen Situation ganz auf seine WM-Teilnahme verzichtet, niemand hätte es ihm verübelt.
Doch Uwe Gensheimer entschied sich bekanntlich anders, reiste nach einigen Tagen bei der Familie in Mannheim der Nationalmannschaft nach Frankreich hinterher – um zu spielen. Auch eine Form von Trauerarbeit, von der es ja viele unterschiedliche gibt. „Mein Vater hätte das so gewollt“, ließ er sich auf der Homepage des Verbandes zitieren, ansonsten sollte es aber keine Statements mehr von ihm bei dieser WM geben.
13 Tore im Auftaktspiel
Stattdessen ließ er Taten sprechen, wurde im Auftaktspiel mit 13 Toren zum Matchwinner gegen Ungarn, machte auch in den nächsten Spielen eindrucksvoll seinen Job und will das auch am Freitag im letzten Gruppenspiel gegen Kroatien wieder tun. Wie sagt man: Jemand stürzt sich in die Arbeit. Und seine Arbeit ist nun mal Handball.
Dabei sieht es ganz und gar nicht nach Arbeit aus, wenn Uwe Gensheimer Handball spielt. Der Linksaußen, der seit dem vergangenen Sommer sein Geld bei Paris Saint-Germain verdient, ist einer der elegantesten Protagonisten seiner Branche. Extrem schnell, beeindruckend gewandt und mit einer faszinierenden Wurftechnik ausgestattet. „Der Mann mit dem Gummiarm“ hat ihn mal jemand genannt.
Am 26. Oktober 1986 in Mannheim geboren, hat Uwe Gensheimer die nächsten 30 Jahre seines Lebens auf seiner kurpfälzischen Scholle verbracht. Als Fünfjähriger bei den „Bambini“ des TV 1892 Friedrichsfeld mit dem Handball-Virus infiziert, schloss er sich 2003 der SG Kronau-Östringen an, aus der dann 2007 die „Rhein-Neckar Löwen“ wurden. Angesichts solcher Bodenständigkeit sorgte es für Erstaunen, als der Sohn Mannheims seinen Wechsel nach Paris bekanntgab. „Aber genau darum ging’s ja – endlich mal was Neues wagen, sowohl beruflich als auch privat“, hat Gensheimer unlängst im Gespräch mit dieser Zeitung betont.
Wechsel nach Paris
Denn einher mit der sportlichen Veränderung ging auch eine familiäre: Kurz vor den Olympischen Spielen brachte Ehefrau Sandra Sohn Matti auf die Welt. Die drei Gensheimers zogen also nach Paris. Dort habe man sich gut eingelebt, hat er erzählt. Und gelegentlich werde er sogar auf der Straße erkannt und angesprochen, „aber nur von deutschen Touristen“.
Im letzten Spiel für „seine“ Löwen feierte Gensheimer die so lange ersehnte erste deutsche Meisterschaft. Zuvor war er persönlich vier Mal zu Deutschlands „Handballer des Jahres“ gewählt worden (2011, 2012, 2013, 2014), aber ohne großen Titel geblieben, sieht man mal vom vergleichsweise unbedeutenden EHF-Pokal 2013 ab.
Auf den großen Coup wartet er auch noch mit der deutschen Nationalmannschaft, für die er mittlerweile 136 Länderspiele bestritten sowie 619 Tore erzielt hat und die er seit Juni 2014 als Teamkapitän führt. Beim Bronze-Gewinn in Rio war er zwar dabei, doch den Triumph vor einem Jahr bei der EM in Polen erlebte er nur als TV-Kommentator, nachdem er kurz vor dem Turnier einen Muskelfaserriss in der Wade erlitten hatte.
Nun probiert er es in Frankreich mit dem deutschen Team, gibt alles für den Erfolg, auch wenn’s bisweilen schwerfällt. Sein Vater – so wird er es sich selbst immer wieder sagen – hätte es so gewollt.