Handball-EM Handball-EM 2020: Christian Prokop im Interview über Kader-Nominierung

Leipzig - Christian Prokop reduziert seinen Kader für die Handball-EM in Norwegen, Österreich und Schweden (9. bis 26. Januar) am Freitag von 28 auf 18 Spieler. Im SID-Interview verrät der Handball-Bundestrainer aus Köthen unter anderem, welche Entscheidung am kniffligsten wird.
Christian Prokop, wie schwer fällt Ihnen die Entscheidung, den Kader am Freitag von 28 auf 18 zu reduzieren? Haben Sie schlaflose Nächte?
Christian Prokop: Schlaflose Nächte habe ich nicht. Aber kurz sind sie, da unsere Kinder jeden Tag sehr früh aufstehen wollen. Meine Gedanken für den EM-Kader sind schon sehr weit, aber sie sind noch nicht abgeschlossen. Das Gros der Mannschaft steht, auf zwei, drei Positionen gibt es noch Entscheidungen zu treffen, die aufgrund der Leistungsdichte sehr eng sind.
Wer braucht sich keine Sorgen zu machen?
Wir haben ein Fundament, ein Gerüst an Spielern, über die wir nicht diskutieren müssen. Es sind cirka zehn Leute, die man auch bei der WM gesehen hat, die das Korsett bilden. Dann gibt es Positionen, auf denen wir vom Ranking her keine sofortige Eindeutigkeit haben. Hier zählt dann neben sportlicher Leistung auch das soziale und emotionale Paket eines Spielers. Unsere Fragen sind beispielsweise: Wer passt mit wem gut zusammen? Wie ist die Leistung in der Liga? Wer drängt sich auf? Der Konkurrenzkampf ist sehr förderlich.
Nächster Verletzungsschock für die deutschen Handballer: Fabian Wiede (25) fällt für die EM aus. Der Rückraumspieler von den Füchsen Berlin wird sich Ende des Jahres einer Schulter-Operation unterziehen und dann für unbestimmte Zeit pausieren müssen. Dies teilten die Füchse am Mittwoch mit. Wiede ist nach Spielmacher Martin Strobel (Balingen) sowie dem Berliner Simon Ernst und dem Lemgoer Tim Suton (beide Kreuzbandriss) die vierte prominente Stammkraft im Rückraum, die dem DHB-Team nicht zur Verfügung steht.
Es bedarf keiner großen Phantasie zu sagen, dass die Torhüterposition dazu gehört. Gibt es einen Dreikampf zwischen Andreas Wolff, Silvio Heinevetter und Dario Quenstedt um die zwei Turnier-Plätze? Oder ist 2007-Weltmeister Johannes Bitter doch mehr als ein Backup und spielt eine Rolle in ihren Kaderplanungen?
Jogi Bitter spielt eine Rolle und ist nicht nur eine Backup-Nominierung, auf keinen Fall. Ich habe die vier stärksten Torhüter nominiert und Jogi bringt konstant starke Leistungen in Stuttgart. Zudem ist er ein Spieler mit einer gewissen Aura und großer Erfahrung. Er ist ein ernstzunehmender Kandidat.
Torhüter-Fragen sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen, nicht bloß im Handball. Im Fußball war die von Bundestrainer Joachim Löw festgesetzte Rangordnung zwischen Manuel Neuer und Marc-Andre ter Stegen wochenlang ein großes Thema. Geht Andi Wolff wie bei der Heim-WM wieder als klare Nummer eins in das Turnier? Quasi als Ihr Manuel Neuer?
Das halte ich mir offen. Ich bin froh, dass ich aus vier starken Torhütern wählen kann, die sicherlich noch nicht alle in Topform sind, die wir aber in Topform bei der EM brauchen werden. Die Jungs geben mir alle ein gutes Gefühl. Am Ende muss ein Gespann funktionieren, und das alle 48 Stunden.
Wird Uwe Gensheimer bei der EM weiter Ihr Kapitän sein?
Ein klares Ja. Er hat eine ganz tolle Entwicklung in den letzten zwei, drei Jahren genommen. Zum einen sportlich. Auf dem Platz zeigt Uwe Konstanz und Biss. Sein Abwehrspiel ist noch antizipativer und beweglicher geworden. Das ist ganz wichtig mit Blick auf die Weltspitze. Aber vor allem hat Uwe sich in seiner Persönlichkeit weiterentwickelt. Er hat sich neben Hendrik Pekeler als mein verlängerter Arm auf dem Spielfeld bewährt. Er nimmt die Mannschaft mit, geht voran, obwohl er auf einer Abnehmer-Position spielt, pusht das Team und die Fans. Aber auch Uwe steht wieder in der Verantwortung bei diesem Turnier, es geht bei null los. (sid)