Wenn Profis gegen den Trainer meutern Wenn Profis gegen den Trainer meutern: Was der HFC zum Chaos in Lotte sagt
Halle (Saale) - Marian Unger kletterte vor dem Erdgas Sportpark in Halle aus seinem Rechtslenker-Audi. Es ergab sich eine kurze Plauderei mit dem Torwart-Trainer des Halleschen FC über Auto-Kauf in England, das britische Nummernschild am Wagen und darüber, wie es ist, als Fahrer auf der „falschen Seite“ zu sitzen.
Vom Small Talk ging es imaginär mit Vollgas Richtung Autobahnkreuz Lotte. Schließlich ist das Chaos beim sonntäglichen Drittliga-Gastgeber des HFC deutschlandweit Gesprächsthema.
„Für uns wäre es am Unangenehmsten, wenn sie dort jetzt ganz schnell noch den Trainer rausschmeißen. Dann würden wir auf eine Mannschaft treffen, die sich auch für all die negativen Schlagzeilen der letzten Tage mit aller Macht rehabilitieren will.“ So sah es Unger mittags. Kurz nach 15 Uhr am Freitag hatte sich Lotte „einvernehmlich“ von Trainer Matthias Maucksch getrennt.
Sportfreunde Lotte: Fünfter Trainer in 13 Monaten
Das Finale einer brisant-beunruhigenden Geschichte. Das ansonsten so beschauliche Lotte ist nämlich seit Dienstagabend zu einem negativen Fallbeispiel aufgestiegen. Es geht um das generelle Problem: Wie reagiert man als Verein, wenn Spieler und Trainer nicht auf einer Wellenlänge liegen?
„Wir haben mitgekriegt, dass da ein wenig Unruhe herrscht“, sagte HFC-Chefcoach Torsten Ziegner diplomatisch. Über andere Vereine zu urteilen, gehört sich nicht für den Trainer eines Gegners - das weiß er.
Doch ganz Fußball-Deutschland hatte sich von unglaublichen Details beim kleinsten Drittliga-Verein unterhalten lassen. Die Eckpunkte: Nach der 2:3-Niederlage der Sportfreunde im Landespokal beim Regionalligisten Rödinghausen suspendierte Trainer Maucksch (49) vier Spieler. Die vermeintlichen Rädelsführer einer Front gegen ihn.
Spieler-Revolte in Lotte kostet Trainer Maucksch den Job
Profis sollen sich über zu hartes Konditions-Training und dafür fehlende taktische Komponenten beklagt haben. Spieler übrigens, die vor einem Jahr daran beteiligt waren, als ein gewisser Oscar Corrochano flugs - nach 13 Tagen - vom Hof gejagt wurde.
Der Mann war der Nachfolger von Aufstiegscoach Ismael Atalan (war von Zweitligist Bochum abgeworben worden). Auf Corrochano folgte Marc Fascher. Dessen Taktik gefiel den Akteuren bald auch nicht mehr. Andreas Golombek übernahm die „Untrainierbaren“ - bis Saisonende. Es kam Maucksch. Der alte Dynamo-Dresden-Kämpe wurde Lottes Fußball-Lehrer Nummer fünf in 13 Monaten.
Unter ihm sollte es aufwärts gehen. Passierte nicht. Erfolg hatte Maucksch wenig. Mit nur einem Punkt ist Lotte Letzter der dritten Liga. Was nicht grundsätzlich verwundert. Schließlich gilt der Klub als Abstiegskandidat. Als es Kritik von außen und Gemurre von innen setzte, wehrte sich Maucksch.
Mauksch-Entlassung in Lotte: Rückendeckung der Vereins-Bosse hielt nur einen Tag
Er sondierte die Störenfriede im Profikader und suspendierte vier Rädelsführer. Dafür erhielt er sogar Rückendeckung aus der Führung. Danach aber boykottierte fast der komplette Rest der Mannschaft am Donnerstag das Nachmittags-Training - nur sechs Spieler erschienen. Am Abend beredeten die Profis die Krise.
Freitag: Morgens traf sich die Mannschaft mit drei Vorstandsmitgliedern und formulierte ein Ultimatum: Entweder wird der Coach gefeuert, oder wir halten den Boykott aufrecht. Maucksch und sein Trainerteam saßen im Nachbarzimmer und bekamen die Infos von einem Vorstandsmitglied, das die Statements von Raum zu Raum trug.
In Halle kamen Vorahnungen auf. „Mal sehen, wie es bis Sonntag weitergeht“, sagte Ziegner mittags in Halle, wo der Ex-Lotteraner Moritz Heyer zu möglicherweise neuesten Infos aus erster Hand gelöchert wurde. „Sie werden sicherlich mit elf Spielern auf dem Platz stehen“, so die wenig überraschende Überzeugung, die der HFC-Trainer hatte.
Suspendierungen gegen vier Profis aufgehoben
Ziegner seinerseits wurde aber auch nachdenklich. „Wenn man es so will, könnte man sagen: Spieler haben schon Macht.“ Sie können einen unbequemen Übungsleiter vom Hof jagen. Das neue Beispiel aus Lotte in der Reihe „So werde ich den Trainer los“ könnte Schule machen. Was jeden Coach aufschrecken dürfte.
Torsten Ziegner - der Maucksch mal bei Testspielen traf - allerdings lässt sich von den Ereignissen nicht beirren. „Ich kann mir eine Meuterei einer Mannschaft von mir nicht vorstellen“, sagte er. Knackpunkt: Es komme immer auf den Umgang miteinander an. „Wir sind als Trainerteam transparent und gehen offen mit den Spielern um“, sagte er zu seinem wichtigsten Mittel.
Und dann versuchte er den Schwenk zum Alltagsgeschäft. „Wir dürfen uns von den Ereignissen nicht beeindrucken lassen. Wir sind in Lotte in der Favoritenrolle und sollten uns ganz auf uns fokussieren“, meinte Ziegner. Leicht fiel das nicht. Es war das Schlechteste eingetreten, was aus HFC-Sicht passieren konnte.
Lotte wird am Sonntag von Jugendkoordinator Klaus Bienemann - auch Trainer des Kreisligisten TuS Graf Kobbo Tecklenburg - und U-19-Trainer Andy Steinmann betreut. Die vier Suspendierungen sind aufgehoben. (mz)